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Rund um das Saarland

Mittwoch-Donnerstag (07/08.06.2023):

Noch immer begeistert von meiner Tour über die Schwäbische Alb, war meine Lust auf Bikepacking wieder voll entfacht und eine Woche später startete ich mein nächstes Abenteuer. Vor einiger Zeit hatte ich auf Komoot einen Track rund um das Saarland entdeckt. Obwohl ich dem Saarland schon des Öfteren einen Besuch abgestattet hatte, war ich noch nicht drumherum gefahren. Also passte ich den Track ein wenig meinen Vorlieben an und fügte ein paar zusätzliche Sehenswürdigkeiten des Saarland hinzu, um ihn interessanter zu gestalten.
Als Startpunkt wählte ich Saarburg, da ich diesen Ort in gut einer Stunde mit dem Zug erreichen konnte. In Saarburg ging es erst einmal in das nächstgelegene Lebensmittelgeschäft, um mich mit allem Notwendigen zu versorgen. Da ich erst am späten Nachmittag mit dem Zug gestartet war, wollte ich an diesem ersten Tag so lange wie möglich auf dem Fahrrad sitzen, ohne noch groß irgendwo anhalten zu müssen.
Die ersten zwanzig Kilometer führten mich flach an der Saar entlang nach Saarhölzbach. Diesen Abschnitt fand ich nicht besonders spannend, da ich ihn von meiner Arbeit her kannte und einfach nicht der Typ für Flussradwege bin.

Blick auf den Vogelfelsen und die Saar
Der Vogelfelsen über Saarhölzbach

In Saarhölzbach begann der erste Anstieg hinauf in den Hunsrück und mein Weg zum eigentlichen Track, der mich rund um das Saarland führen sollte. Mit der Schutzhütte am Vogelfelsen erreichte ich kurze Zeit später einen fantastischen Aussichtspunkt mit tollem Blick über das Saartal und Saarhölzbach. Dies wäre der perfekte Ort gewesen, um die Nacht zu verbringen und die wunderbare Natur zu genießen. Doch es war noch viel zu früh und auf meinem Garmin standen zu wenig Kilometer.

Durch den Nationalpark

Der Track führte mich nun, durch den im Jahr 1980 entstanden Naturpark Saar-Hunsrück. Durch diesen führt der 410 Kilometer lange Premiumwanderweg, der Saar-Hunsrück-Steig. Diesen kreuzte ich heute immer mal wieder oder folgte ihm ein Stück. Besonders die mit vielen Wurzeln durchzogen Streckenabschnitte stellten mit meinem schwer bepackten Fahrrad eine echte Herausforderung dar. Das Vorankommen auf solchen Trails ist eine schweißtreibende und zeitfressende Angelegenheit. Zwischenzeitlich war ich wirklich froh, wenn ich auf einfachen Feld- oder Schotterwege fahren konnte.
Immer wieder kam ich an schönen und imposanten Felsformationen vorbei, die versteckt im Wald lagen. Am Holzbach entlang führte mich die Strecke auf einem tollen und flowigen Trail bis nach Weiskirchen. Dort empfing mich der Weiher am Kurpark, den ich über eine riesige überdachte Holzbrücke überquerte. Diese idyllische Stelle nutze ich für eine kleine Pause und versorgte mich mit Proviant.

Weiskirchen stellte an diesem Tag meine einzige Berührung mit der Zivilisation dar, seit ich die Saar verlassen hatte. Dies ist das Schöne am Hunsrück und es fällt mir immer wieder auf. Dort kann ich stundenlang durch die Natur fahren, ohne einem Menschen zu begegnen oder in eine größere Ortschaft zu gelangen. Gelegentlich sieht man vereinzelte Bauernhöfe oder fährt durch winzig kleine Dörfer. Um dort zu leben, wäre es sogar mir zu einsam, für meine Bikepackingtouren ist es ein wahrer Traum.
So ging meine Fahrt an diesem Tag munter weiter. Mal führte mich mein Weg über schmale Pfade durch kleine, beschauliche Täler oder es galt einen der vielen Anstiege zu bewältigen. Von diesen hält der Hunsrück einige bereit, wodurch es nie langweilig wird.

Einen Platz zum Schlafen

Kurz vor Hermeskeil vollzog der Track einen Schlenker nach rechts und führte mich in das Tal des Forstelbachs. Dort entdeckte ich eine, im Rahmen des Saar-Hunsrück-Steigs neu errichtete Hütte, welche meine Herberge für die Nacht wurde. Das einzige Manko dieser Unterkunft war der fehlende Handyempfang und damit keine Internetverbindung. Wobei ein bisschen Social Media Detox mir bestimmt nicht schadet und wahrscheinlich sogar gut für mich ist. Es ist schon verrückt, wie oft ich auf mein Handy schaue, Dinge google und dieses Gerät in der Hand halte. Wenn ich mal ohne Handy das Haus verlasse, weil ich es vergessen habe einzustecken, fühle ich mich regelrecht nackt und meiner Verbindung zur Außenwelt beraubt. Ich kann es mir mittlerweile kaum noch vorstellen, wie es früher war, als es noch keine Handys gab!

Der Saar-Hunsrück-Steig
Die Saar bei Saarhölzbach
Die Saar
Die Dianaquelle

Mein Nachtlager in dieser idyllischen Hütte war schnell errichtet und obwohl es kein Internet gab, wurde es ein schöner Abend. Leider hat meine Luftmatratze seit meiner Reise durch Italien ein Loch. Am Morgen ist sie zwar nicht komplett platt, allerdings es fehlt deutlich Luft. Zweimal habe ich schon versucht die undichte Stelle in meiner Badewanne zu finden, jedoch ungünstigerweise ohne Erfolg. An keiner Stelle treten Luftblasen aus, sodass ich die Matratze reparieren könnte. Andererseits ist dies ein ganz guter Trick, um am Morgen nicht ewig im Schlafsack zu liegen und mich nochmal herumzudrehen.

Der zweite Tag beginnt

Wobei ich morgens nie lange benötige, um in Schwung zu kommen und in den Tag zu starten. Das galt auch an diesem Morgen, wo mein Fahrrad im Handumdrehen gepackt war und es weiter rund um das Saarland gehen konnte.
Schon nach wenigen Kilometern erreichte ich den Nonnweiler Stausee und fuhr im frühen Sonnenschein über die Staumauer. Auf dem Parkplatz, der ein Stück unterhalb der Staumauer liegt, hatte ich vor einiger Zeit schon mal eine Nacht in meinem Bus verbracht. Damals unternahm ich eine paar Mountainbiketouren in dieser Gegend und umrundete den ganzen Stausee.
Da heute Fronleichnam und somit Feiertag im Saarland war, hatte die Bäckerei in Nonnweiler leider geschlossen und es gab kein leckeres Frühstück für mich. Ein Blick auf die Karte zeigte enttäuschenderweise keine größeren Ortschaften in der nächsten Zeit, welche sich auf der Route befanden. Ohne Aussicht auf Kaffee setzte ich meine Fahrt rund um das Saarland fort.

Traumhafte Sehenswürdigkeiten

In unmittelbarer Nachbarschaft von Nonnweiler liegt der Ort Otzenhausen. Dort gibt es eines der beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten des Saarlandes zu bewundern, den Ringwall von Otzenhausen. Bei diesem keltischen Verteidigungsring, auch unter dem Namen Hunnenring bekannt, handelt es sich um einen zehn Meter hohen Steinwall. Im Jahre 2016 wurde in der Nähe des Ringwalls ein authentisch rekonstruiertes Keltendorf mit 10 Gebäuden eröffnet, welches den Keltenpark Otzenhausen bildet. Ich hatte diesen Ort im letzten Jahr bereits einmal besucht, daher schenkte ich mir die Höhenmeter zum Ringwall und fuhr an dieser tollen Sehenswürdigkeit vorbei. Um euch dennoch diesen großartigen Ort  zu zeigen, habe ich dem Bericht ein Foto aus meinem Archiv beigefügt.

Der Keltenring in Otzenhausen
Der Ringwall von Otzenhausen
Staumauer dess Nonnweiler Stausee
Der Nonnweiler Stausee

Das Frühstück ist gesichert

Kurz hinter Otzenhausen erreichte ich die kleine Ortschaft Eisen, wo der SV Eisen die 47. internationale Volkswanderung veranstaltete. Eine Bühne war aufgebaut worden und neben einem Flohmarkt gab es im Gemeindesaal ein reichhaltiges Kuchen- und Brötchenbüfett. Wäre ich ein bisschen später angekommen, hätte es sogar Köstlichkeiten vom Grill und aus dem Pizzaofen gegeben. Aber mit dem üppigen Kuchen- und Brötchenbüfett, dazu noch reichlich Kaffee, war ich mehr wie zufrieden.
Sogar mit meinen fast fünfzig Jahren drückte ich den Altersdurchschnitt auf dieser Veranstaltung nach unten. Das beherrschende Gesprächsthema an den Tischen um mich herum schien zu sein, wer seit dem letzten Mal oder während der Coronapandemie verstorben war. Bevor die Blasmusikkapelle auf der Bühne loslegte, entschied ich mich lieber, die Wanderveranstaltung zu verlassen und meine Reise fortzusetzen.
Das nächste Stück des Tracks ging über die Straße, was mir aufgrund meines vollen Magens sehr gelegen kam, da es leicht rollte und nicht so anstrengend war. Kurz hinter Nohfelden änderte sich dies mit dem Anstieg auf den Bärenfelsen, von dem aus ich einen atemberaubenden Blick ins Tal genießen konnte. Nach der anschließenden Abfahrt fuhr ich eine Weile entlang A62 und der Nahe. Im Rahmen meiner Mountainbiketouren rund um St. Wendel im letzten Jahr, hatte ich die Quelle der Nahe auch schon besucht.

Es darf geklettert werden

Nun wurde der Streckenverlauf wieder anspruchsvoller, mit einigen Trails und einer ordentlichen Portion Höhenmetern gespickt. Die Trails gehörten zur MTB Route Nr. 9, die zu den offiziell angebotenen Mountainbikestrecken im Saarland gehört.
Die herausfordernden Höhenmeter verdankte ich dem Trautz- und dem Hellerberg, den dritt- und vierthöchsten Bergen im Saarland.
Angesichts der mittlerweile sommerlichen Temperaturen war das Erklimmen dieser eine schweißtreibende Angelegenheit. Da kam mir die, sehr romantisch im Wald gelegene Dianaquelle äußerst gelegen. Dort konnte ich meine Trinkflaschen auffüllen und legte eine kleine Verschnaufpause ein.

Mit dem Erreichen von Jägersburg war Ende mit der schönen Idylle. Die Zivilisation empfing mich wieder mit voller Macht. Rund um die zahlreichen Weiher, die vom Erbach gespeist werden, tummelten sich Massen von Menschen und genossen das schöne Wetter an diesem Feiertag. Eine Fülle von gastronomischem Betrieben, ein Kletterpark, ein Wasserspielplatz und viele andere Freizeitmöglichkeiten reihten sich aneinander.
Froh mich durch dieses Getümmel hindurch geschlängelt zu haben, ging es nun auf zahlreichen Trails weiter durch den Wald. Der Untergrund wechselte zwischen sandigen Abschnitten und Wurzelteppich, um dann in angenehme Schotterweg überzugehen.

Eine warme Mahlzeit

Mittlerweile war es früher Abend geworden und so langsam wurde es Zeit für ein warmes Abendessen. In Einöd fand ich einen türkischen Imbiss, wo ich mir eine große Gyrospizza einverleibte. Dazu gönnte ich mir ein alkoholfreies Bier und zum Nachtisch ein Eis.
So gestärkt, verlief der Rest des Tages eher unspektakulär, in Bezug auf die Strecke und die Sehenswürdigkeiten. Beim Wetter sah die Sache leider anderes aus und durchkreuzte meine Pläne gehörig. Am Himmel waren mittlerweile dicke schwarze Wolken aufgezogen, die Sonne hatte sich verfinstert und es deutete sich ein Gewitter an. Es dauerte nicht lange und es fielen dicke Regentropfen vom Himmel, zu dem sich noch Blitz und Donner gesellten. Zum Glück kam ich kurze Zeit später an einer Hütte am Wegesrand vorbei und konnte mich unterstellen. Ein Blick auf das Regenradar verriet mir, dass die schlechte Wetterfront nicht so schnell vorüberziehen würde. Daher entschied ich mich, für heute Feierabend zu machen, obwohl meine angepeilte Hütte noch 20 Kilometer entfernt lag. Manchmal muss man sich der Natur beugen, da ich keine Lust hatte durch den Regen zu fahren. So konnte ich mich in aller Ruhe dem Aufbau meines Nachtlagers und der Körperpflege widmen, noch eine Kleinigkeit essen und frühzeitig in meinen Schlafsack kriechen. So fand der Tag nach 130 Kilometern und 2200 Höhenmetern an der Pinninger Hütte sein Ende.

Freitag-Samstag (09/10.06.2023):

Dank meins frühen Zubettgehen am vorherigen Abend aufgrund des Gewitters, erwachte ich heute früh am Morgen. Schon um Viertel nach sechs hatte ich meine Sachen gepackt und saß auf meinem Fahrrad. Denn eigentlich wollte ich schon viele Kilometer weiter sein auf meiner Tour rund um das Saarland.
Es dauerte nicht lange, bis ich in Bliesmengen eine Bäckerei fand. In der örtlichen Dorfbäckerei Ackermann wurde noch alles vor Ort produziert und mir ist schon lange keine Bäckerei mehr mit einem derart fantastischen Angebot an Backwaren begegnet. Besonders die Kuchen und Teilchen waren ein Gedicht und ich deckte mich reichlich damit für meine Fahrradtour ein.
Anschließend überquerte ich den Fluss Blies und erreichte zum ersten Mal auf meiner Tour französischen Boden. Dieses Wechseln zwischen den Ländern wiederholte sich noch einige Male, bis die Blies schließlich in die Saar mündete und ich weiter in Richtung Saarbrücken fuhr.

Mahnmal gegen die Sinnlosigkeit

Kurz vor Saarbrücken bog der Track rechts ab, hinauf auf die Spicherer Höhe. An diesem geschichtsträchtigen Ort fand im Deutsch-Französchichen Krieg im Jahre 1870 die Schlacht bei Spichern statt. Heutzutage steht an dieser Stelle mit dem Hochkreuz ein Mahnmal über die Sinnlosigkeit von Kriegen und Erbfeindschaften. Zudem gedenkt eine Reihe von Ehrenmalen den insgesamt 1200 gefallen Soldaten beider Seiten.

Ehemaliger Bunker des Westwalls auf der Spicherer Höhe
Bunker des ehemaligen Westwalls
Aussichtplattform am Steinbruch Barrois
Der Steinbruch von Barrois

Der Spicherer Höhe hatte ich schon vor einigen Jahren einen Besuch abgestattet. Damals war ich mit zwei Freunden dem Verlauf des Westwalls von Trier bis Karlsruhe gefolgt. Einen Bericht über diese Tour findet sich ebenfalls auf meinem Blog. Der Westwall, auch unter dem Namen Siegfried Linie bekannt, war ein über 630 Kilometer langes militärisches Verteidigungssystem entlang der Westgrenze des Deutschen Reiches und Frankreich. Auf der Spicherer Höhe lassen sich noch zahlreiche Bunker und Relikte dieser schrecklichen und unrühmlichen deutschen Vergangenheit finden.
Nach soviel aufwühlender und nachdenklich stimmender Geschichte, war es nun Zeit für ein paar profanere Dinge des Lebens. Die Verpflegung und meine Vorräte aufzufüllen, hatte nun oberste Priorität. Eine Pause nach den vielen Kilometern auf dem Fahrrad und den mittlerweile recht hohen Temperaturen würde mir ebenfalls sehr guttun. Zudem wusste ich, dass anschließend ein Stück ohne große Versorgungsmöglichkeiten folgen würde.

Industrielle Geschichte

Gut gestärkt und ausgeruht setze ich meine Reise fort und durchquerte ein Gebiet, das mir vom Gravelfondo Überherrn aus dem letzten Jahr, noch lebhaft in Erinnerung geblieben war. Insbesondere der Steinbruch von Barrois stellt ein beeindruckendes Stück industrieller Geschichte dar. In dem größten Steinbruch des lothringischen Kohlebeckens, wurde Sandstein abgebaut, der zum Verfüllen der Bergbaustollen verwendet wurde. Heute erinnern die ocker und gelb gefärbten Felsen an eine amerikanische Canyon-Landschaft. Besonders beeindruckend lässt sich dies von den beiden 80 Meter hoch gelegenen Aussichtspunkten über dem Steinbruch bestaunen. Heutzutage beheimatet der Steinbruch viele seltene Tier- und Pflanzenarten und ist für Besucher zugänglich.

Mahnmal auf der Spicherer Höhe
Das Hochkreuz
Die Freundschaftsbrücke
Das Europadenkmal Berus
Das Europadenkmal Berus

Nach zahlreichen schönen, teils fordernden Trails und einem längeren Anstieg, erreichte ich schließlich das Europadenkmal Berus. Auf einer Höhe von 360 Meter laufen zwei parallele Stahlbetonplatten in den Himmel und bilden dieses Denkmal. Im unteren Teil befindet sich eine Aussichtsplattform, die einen weiten Blick ins Saartal oder nach Frankreich gewehrt.

Es wird zäh

Der Streckverlauf wurde nun, nach den zahlreichen Highlights, ziemlich zäh und langweilig für mich. Ich fuhr fast ausschließlich über asphaltierte Wirtschafts- oder Schotterwege, die an landwirtschaftlichen Flächen entlangführten. Die Sonne brannte mittlerweile erbarmungslos und raubte mir die Energie. Es gab weit und breit keinen Wald oder die Möglichkeit mal ein kleines Stück im Schatten zu fahren. Glücklicherweise kam ich zweimal an einem Friedhof vorbei und konnte dort meine Trinkflaschen auffüllen. Jedoch vergeblich hoffte ich den ganzen Nachmittag auf ein Eis oder eine Möglichkeit zum Einkaufen. Dabei waren meine Essensvorräte bis auf zwei Riegel aufgebraucht und gegen eine anständige warme Mahlzeit hätte ich nichts einzuwenden gehabt.
Erst in Perl, nachdem ich vom Hunsrück hinunter an die Mosel gefahren war, fand ich endlich eine Möglichkeit zum Einkaufen und einen türkischen Imbiss. Hier hatte ich meinen Heimatfluss wieder erreicht, wo er den Grenzfluss zwischen Luxemburg und Deutschland bildet.

Ehemaliger Bunker des Westwalls auf der Spicherer Höhe
Verfallener Bunker des Westwalls
Der Steinbruch von Barrois
Blick in den Steinbruch von Barrois

Schon lange hatte ich mich nicht mehr so gefreut, wieder die Zivilisation zu erreichen. Dieses gefühlte stundenlange Radeln durch den Hunsrück, wo man heute schon sehen kann, wer morgen zu Besuch kommt, hatte stark an meinem Nervenkostüm gezerrt. Selbst der wundervolle Skulpturenpfad in der Nähe von Wellingen konnte mich nicht dazu bewegen, abzusteigen und meine Stimmung aufhellen.
Diese besserte sich erst wieder nach einem großen alkoholfreien Bier und einem Gyrosteller mit Pommes. Bei meiner anschließenden Einkaufstour gönnte ich mir noch ein Magnum und eine Vanillemilch, wodurch meine Welt direkt viel schöner aussah.

Europa hautnah

Gegenüber von Perl, auf der luxemburgischen Seite der Mosel, befindet sich Schengen. Dort erreichte ich das Dreiländereck Luxemburg, Frankreich und Deutschland, wo ich auf recht aktuelle europäische Geschichte traf. An diesem Ort wurde am 14.07.1985 das Schengener Abkommen von 5 EU-Mitgliedsstaaten unterzeichnet, in dem mittlerweile 27 Staaten vertreten sind. In diesem Abkommen wurde der Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen und die Einführung des freien Personen- und Warenverkehrs geregelt.
Leider wurde mein Plan, in einer Hütte in den Weinbergen über Perl zu übernachten, durchkreuzt. Eine Gruppe Jugendlicher hatte sich dort zum Grillen und Feiern niedergelassen und ich musste unglücklicherweise weiterziehen. Nun war Improvisation gefragt, da die nächste Hütte auf meiner Liste noch zwanzig Kilometer entfernt lag. Es war mir definitiv zu weit und mir fehlte eindeutig die Lust, dort noch hinzufahren. Die hohen Temperaturen und das schwere Abendessen forderten jetzt ihren Tribut, bloß sollte ich nicht so schnell fündig werden, was meine Übernachtungsmöglichkeit betraf.
Nachdem ich noch etliche Kilometer entlang der Mosel gefahren war, erreichte ich kurz hinter Remich den tiefsten Punkt des Saarlandes. Auf diese Information war ich zufälligerweise bei Komoot gestoßen und sie zauberte mir ein Schmunzeln ins Gesicht. Normalerweise bin ich immer auf der Suche nach dem Gegenteil, dem höchst gelegenen Punkt einer Region.

Der Steinbruch von Barrois
Die Natur erobert den Steinbruch Barrois
Die Römerbrücke in Trier
Die Römmerbrücke in Trier

Von Remich aus begann nun der lange Anstieg zurück in den Hunsrück. Im Dorf Sinz, das ein Westwallmuseum beherbergt, wurde mir die Sache zu bunt und ich nahm mein Handy aus der Tasche. Auf meinen gesamten Weg hatte ich bisher keine geeignete Stelle für mein Nachtlager gefunden und jetzt musste mir die Technik helfen. Fünf Kilometer entfernt fand ich eine Grillhütte, jedoch befand sich diese auf einem Berg und es hieß nochmal Höhenmeter machen. Nachdem ich endlich die Hütte erreicht hatte, zeigte mein Garmin 175 Kilometer und 2700 Höhenmeter an. Jetzt war ich wirklich platt und bedient für diesen Tag was Fahrradfahren betraf. Ich wollte mich einfach nur noch auf meine Luftmatratze legen und den Abend in Ruhe ausklingen lassen.

Der letzte Tag beginnt

Am nächsten Morgen erwachte ich voller Vorfreude, da ich heute meinen Ausgangspunkt in Saarburg erreichen und damit die Umrundung des Saarlandes abschließen würde. Gestern Abend hatte ich den Track verlassen, um einen Schlafplatz zu finden. Normalerweise ist das ein absolutes No-Go und eine grundlegende Regel beim Bikepacken. Immer auf dem Track zu bleiben und solange zu fahren, bis sich etwas Passendes am Wegesrand bietet, ist eigentlich immer die bessere Strategie. Sei es eine Möglichkeit zum Einkaufen oder zum Übernachten. Vom Track abzuweichen bedeutet Zeitverlust und zusätzliche Kilometer zu fahren.
Nachdem ich meine Route an diesem Morgen wieder gefunden hatte, führte sie mich durch das Naturschutzgebiet Bärenfels. So früh am Morgen waren die Temperaturen noch angenehm kühl und ein bezaubernder Waldweg führte mich entlang des idyllischen Flüsschens Leuk.

Der Wasserfall in Saarburg
Der Wasserfall in Saarburg
Brücke über die Leuk
Brücke über die Leuk
Panzer auf der Spicherer Höhe
Panzer auf der Spicherer Höhe

In Freudenburg sollte laut meiner Liste eine Bäckereifiliale zu finden sein. Zu meiner großen Enttäuschung stellte ich jedoch fest, dass sie nicht mehr existierte und geschlossen worden war. Beim Metzger nebenan bekam ich zwar ein Fleischkäsebrötchen, allerdings wurde dort kein Kaffee verkauft. Es sollte noch eine ganze Weile dauern, bis ich in den Genuss einer Tasse Kaffee kommen sollte.
Hinter Freudenberg führte mich mein Weg noch einige Kilometer über die Höhen des Hunsrück, der mir fantastische Ausblicke über den Saargau bot, bevor ich schließlich hinunter an die Saar fuhr. Über einige schöne Trails und Wirtschaftswege gelangte ich in nun rasch zurück an meinen Ausgangspunkt Saarburg.

Ein Wasserfall in der Stadt

Da es noch früh am Tag war und ich noch viel Zeit hatte, entschied ich mich gegen die Rückreise mit der Eisenbahn und beschloss stattdessen, noch ein Stück Richtung Heimat zu radeln. Saarburg hat mit seiner historischen Altstadt und dem Wasserfall, welcher sich mitten in der Stadt befindet, einige grandiose Sehenswürdigkeiten zu bieten. An diesem Tag fuhr ich mit meinem Fahrrad auch mal den steilen Anstieg hinauf zur Burg, welche majestätisch über der Saar thront. Diese hatte ich noch nicht besucht und sie stand schon lange auf meiner Liste.
Leider konnte ich keine vernünftige Bäckerei in ganz Saarburg finden. Entweder es war eine zum Stehen oder so ein sündhaft teures Touristencafé. Auf beides hatte ich keine Lust und setzte stattdessen meine Fahrt entlang der Saar Richtung Trier fort.
Zu meinem großen Leidwesen hatte ich mit starkem Gegenwind an der Saar zu kämpfen, wodurch sich mein Vorankommen sehr mühselig gestaltete. Dazu noch dieses monotone Strampeln am Fluss entlang sollte es bis Trier zu einer richtig guten Übung in Gelassenheit für mich werden.

In Konz, am Zusammenfluss von Saar und Mosel, fand ich endlich in einem Einkaufscenter eine Bäckerei. Allerdings war der Kaffeevollautomat außer Betrieb, aufgrund einer Wartung oder Reparatur. Es war wirklich schwer für mich, meine Enttäuschung zu verbergen und nicht laut loszuschreien. In meinem Elend hielt ich an der nächsten Tankstelle, um mich dort in das Bistro zu setzen und endlich eine Tasse Kaffee zu genießen. Bei der Gelegenheit gönnte ich mir zu meiner persönlichen Versöhnung noch ein Eis, da die Temperaturen mittlerweile schon wieder um die 30 Grad lagen.
Ich entschied mich, die Stadt Trier dieses Mal links liegenzulassen, da ich sie bereits unzählige Male besucht und mir ihre Sehenswürdigkeiten angeschaut hatte. Trier zählt zu den ältesten Städten in Deutschland und stellt ein wahres Freilichtmuseum dar, was Bauten aus römischer, romanischer und gotischer Zeit angeht. Besonders die Porta Nigra, das Wahrzeichen von Trier und UNESCO-Welterbe, ist weit über die Grenzen von Deutschland hinaus bekannt.

Der Weg nach Hause wird lang

Kurz hinter Trier wechselte ich die Seite der Mosel, um hinter Ehrang in die Eifel zu gelangen. Der schnellste Weg zurück nach Hause führte nicht entlang der Mosel, sondern durch meine geliebte Eifel. Würde ich dem Verlauf der ganzen Moselschleifen folgen, stände am Ende das Doppelte an Kilometer auf meinem Tacho im Vergleich zur Route entlang der Bahnlinie. Die gesparten Kilometer erkauft man sich jedoch mit einer ordentlichen Anzahl an Höhenmetern und am heutigen Tag dazu noch mit jeder Menge Gegenwind.
Im Nachhinein betrachtet frage ich mich, warum ich in Trier nicht einfach in den Zug gestiegen bin. Ich kann wirklich nicht mehr sagen, was mich dazu bewogen hat, unbedingt bis nach Klotten zu radeln. Ich kenne jeden Feldweg, noch so kleinen Hügel und jedes Dorf auf diesem Weg, da ich zehn Jahre für die Signaltechnik an der Moselstrecke zuständig war. Vor allem der Teil durch das Alftal von Wittlich nach Bullay, bin ich schon unzählige Male mit dem Fahrrad oder Auto gefahren. Einzig das neu gebaute Stück Fahrradweg, welches die Lücke in Höhe von Höllental schließt, weckte mein Interesse.

Selbstreflexion

An diesem Tag wollte ich mir wohl unbedingt beweisen, dass ich noch einmal 150 Kilometer fahren und dabei 1.000 Höhenmeter überwinden kann.
Irgendwann ging es nur noch um den reinen Willen zum Durchhalten, der mich bewegte weiter zu fahren. Nicht so schnell aufzugeben und durchzuhalten, sind sicherlich gute Eigenschaften, die ich besitze. Manchmal stehen sie mir jedoch im Weg und sind nicht besonders zielführend.
Am Nachmittag erreichte ich schließlich meinen Heimatort Klotten, wo leider aus meinem obligatorischen Finisherfoto nichts wurde. Dieses nehme ich normalerweise vor dem großen Schild mit der Aufschrift „Klotten“ auf, welches am Anlegepunkt der Fähre hängt. Dort parkten heute Autos und Wassersportler verluden ihre Kanus. Ich entschied mich direkt nach Hause zu fahren, um dort als Erstes unter die Dusche zu steigen, da ich mittlerweile nicht mehr sehr angenehm roch. Mit einem Milchkaffee auf meinem gemütlichen Sofa wertete ich die Daten von meinem Radcomputer aus. Insgesamt hatte ich in vier Tagen 530 Kilometer zurückgelegt und 8.200 Höhenmeter überwunden, auf meiner Reise rund um das Saarland. Dabei hatte ich ganz viel erlebt, viele interessante Dinge gesehen und eine fantastische Zeit verbracht.

„Es ist das, was du daraus machst“

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