Der Eifel Graveller 2023 (Teil 2 von 3)
Mittwoch, 05.07.2023:
Gestern Abend, kurz vor 23 Uhr, erwischte ich Sebastien etwa 15 Kilometer vor Dahlem. Auf dem Weg von Monschau nach Hellenthal war er in einen heftigen Regenschauer geraten und war richtig nass geworden. In Hellenthal stoppte er, fand noch einen offenen Imbiss und wartete dort ab, bis der Regen vorüber war. Hinter Hellenthal führte der Track durch das Prethtal, an dessen Ende ein langer Anstieg wartet, der zur Dahlemer Binz führt. Dort wartete ich auf Sebastien, wir quatschen ein wenig und ich nahm ein paar Fotos von ihm auf. Er plante noch bis Dahlem zu fahren und in der kleinen Hütte am „Bushcraft & Survival Wildniscamp“ zu übernachten.
Das Wetter hat umgeschlagen
Von Dahlem aus fuhr ich Richtung Nürburgring, wo ich nochmals Ramon treffen wollte. Allerdings legte er ein so hohes Tempo vor, dass ich ihn am Nürburgring verpasste und erst in Adenau antraf. Sein Plan war es, die nächste Hütte anzusteuern und sich hinzulegen, da das Wetter mittlerweile ganz schön eklig geworden war. Regenschauer zogen über die Eifel hinweg, die Temperaturen waren drastisch gesunken und es blies ein heftiger Wind. Seinen Schlafplatz fand Ramon auf dem höchsten Berg der Eifel, der Hohen Acht. Auf 747 Metern ragt dort der 16 Meter hohe Kaiser-Wilhelm-Turm empor, wo Ramon seinen Schlafsack ausrollte und es sich gemütlich machte. Wie er mir am nächsten Tag erzählte, tobte dort die ganze Nacht der Sturm und der Wind rüttelte heftig am Turm. Seine Nacht dort war nicht wirklich erholsam und gemütlich gewesen.
Entlang der „Grünen Hölle“
Sobald die Teilnehmer das Dorf Müllenbach erreichen, folgen sie einem langen Linksbogen hinauf zum Nürburgring und genau auf diesem Stück begleitete ich Sebastien am nächsten Morgen. Oben angekommen erblickt man als Erstes das Ring-Casino mit dem Lindner Hotel und dem Ring-Racer. Der Ring-Racer ist eine Achterbahn, die nie in Betrieb genommen wurde und funktioniert hat. Diese Achterbahn war ein Millionengrab, wie viele andere Attraktionen der Erlebniswelt Nürburgring.
Während wir zum Nürburgring unterwegs waren, erzählte mir Sebastien von seinen Erlebnissen der letzten Tage. Er berichtete, dass die letzte Nacht in der Dahlemer Hütte hure kalt gewesen war. Um möglichst leicht unterwegs zu sein, hatte er keinen Schlafsack mitgenommen, sondern schlief nur in seinem Biwaksack und zog alle seine Kleidungsstücke an. Aus eigener Erfahrung weiß ich, da ich bereits einen Event mit der gleichen Taktik bestritten hatte, dass dieses Schlafsetup eine kalte und harte Angelegenheit darstellt. Besonders bei den niedrigen Temperaturen und dem Regen, der in der letzten Nacht in der Eifel herrschte. Vor dem imposanten Nürburgringschriftzug, der das Ringwerk schmückt, nahm ich noch ein paar Fotos auf und er machte sich auf den Weg rund um die Nordschleife. Sebastien hatte es eilig nach Adenau zu kommen, da er seit Hellenthal nichts mehr zu essen bekommen hatte und seine Vorräte fast vollständig aufgebraucht waren.
Vor Adenau müssen die Teilnehmer noch die halbe Nordschleife umrunden. Dieser Abschnitt gehört zum offiziellen Mountainbikenetz, das rund um den Nürburgring existiert. Dabei kommen die Fahrer an vielen bekannten Streckenabschnitten des Nürburgrings vorbei und es bieten sich interessante Einblicke in die Streckenführung der Nordschleife. An diesem Tag drehten Dutzende von Porsche ihre Runden durch die Grüne Hölle, sodass Sebastien auch noch ein Autorennen hautnah miterleben konnte.
Wenn erwischte der Regen?
Inzwischen bewegten sich auch die anderen Dots wieder auf der Trackingseite. Henning hatte am gestrigen Abend als Erster eine Hütte vor Wolfgarten erreicht, noch bevor der Regen einsetzte. Daniel hatte weniger Glück, er kam in den Regen und schaffte es im Laufe des Abends noch bis zu Henning in die rettende Hütte. Damit hatten die beiden den Nationalpark Eifel erreicht und würden heute um den Rursee fahren.
Tobias und Dieter kamen nur bis Vollem, wo sie vom Regen eingeholt wurden. Etwas versteckt hinter einem Spielplatz liegt dort eine Grillhütte, die ich bei meinen zahlreichen Scoutingtouren in dieser Gegend entdeckt und auf der Karte des Eifel Gravellers eingetragen hatte. Diese nutzen die beiden und fanden so einen trockenen Platz für die Nacht. Zwischen Bad Münstereifel und dem Rursee ist die Anzahl der Hütten nicht so hoch wie auf vielen anderen Abschnitten des Eifel Gravellers, daher hatten die beiden Glück, diese geräumige Hütte rechtzeitig gefunden zu haben.
Zum größten Stausee Deutschlands
Am heutigen Tag erreichten auch sie den Rursee und konnten ihn an der Abtei Mariawald zum ersten Mal bewundern. Von dort führt der Weg über den Wilden Kermeter, bis es endlich hinunter zum Rursee geht und die riesige Staumauer überquert wird. Den Wilden Kermeter durchzieht ein über sechs Kilometer langes Wegenetz, das über den Bergrücken zwischen Gemünd und Heimbach führt.
Hinter der Rursee-Staumauer beginnt der lange Anstieg hinauf zur Hubertshöhe, wo es den wohl spektakulärsten Blick über den Rursee gibt. Jedes Mal, wenn ich dort vorbeikomme, bin ich völlig fasziniert von der Größe des Rursees und dieser riesigen Wasserfläche unten im Tal. Der Rursee liegt mitten im Nationalpark Eifel, hat einen Umfang von 27 Kilometer und ist der größte Stausee in Deutschland.
Daniel und Henning waren mittlerweile schon ein ganzes Stück weiter auf dem Track vorangekommen. Sie befanden sich in Nideggen und fuhren hinauf zur dortigen Burg, von der man einen herrlichen Blick über das Rurtal genießen kann. Nach der anschließenden Abfahrt erwartete sie ein komplett neu gestalteter Streckenabschnitt. Rund um den Rursee hatte ich viele Änderungen und Neuplanungen am Track des Eifel Gravellers vorgenommen. Während des Winters verbrachte ich etliche Wochenenden in dieser Gegend, um alles zu scouten und die neuen Abschnitte zu testen. Der Nationalpark Eifel hatte auf vielen Waldwegen das Fahrradfahren verboten und überall sind mittlerweile Verbotsschilder aufgestellt. Im Winter pflegte ich regen Schriftwechsel mit dem Nationalpark, bis ich alle Auflagen zu deren Zufriedenheit erfüllt und wieder meine Ruhe hatte. An dieser Stelle möchte ich nicht weiter auf dieses Thema eingehen. Wen das Thema genauer interessiert, der kann in einem meiner früheren Blogbeiträge alles nachlesen.
Eine schreckliche Vergangenheit
Der neu geplante Abschnitt führt durch das Kalltal, folgt dann dem Huschelbach und führt die Fahrer hinauf in den Ort Schmidt. Während dem Zweiten Weltkrieg war Schmidt einer der am meisten umkämpften Orte beim Vormarsch der Alliierten. Der Ort spielte eine entscheidende Rolle für die Kontrolle des Rursee und damit über die Rur. Die US-Arme plante, über die Rur zum Rhein vorzustoßen. Wer die Herrschaft über die Wassermassen des Rursees innehatte, konnte die Rur in einen reißenden Strom verwandeln und das Ufergebiet bis hin zur niederländischen Grenze überfluten. Dadurch wäre es für Panzer oder anderes schweres Gerät nahezu unpassierbar geworden. Die schrecklichen Auswirkungen der Sprengung eines Staudamms können wir zurzeit beim Kachowka-Staudamm in der Ukraine erleben. Dort wurde eine ganze Region aus militärischen Gründen überflutet und die Folgen sind verheerend. Der Mensch scheint nie aus seiner Vergangenheit und der Geschichte zu lernen!
Im angrenzenden Hürtgenwald bei Schmid, erlitten die Amerikaner ihre höchsten Verluste im 2. Weltkrieg auf deutschem Boden. Noch heute finden sich zahlreiche Überreste dieser Schlacht in den Wäldern des Hürtgenwalds. Dabei sind mindestens so viele Soldaten im harten Winter 1944 erfroren, wie durch gegnerische Beteiligung ums Leben gekommen.
Aber kommen wir mal wieder zurück zu den Akteuren des Eifel Gravellers. Von Schmidt aus ging es wieder hinunter an den Rursee, wo die Fahrer das kleine Dorf Woffelsbach erreichten. Bei meinem Freund Norbert, der dort einen Jugendzeltplatz betreibt, nutzten alle die Chance auf eine heiße Dusche und eine kleine Verschnaufpause. Ein herzliches Dankeschön an Norbert für dieses großartige Angebot, denn er kennt aus eigener Erfahrung die Wünsche und Bedürfnisse eines Bikepackers.
Henning verabschiedete sich als Erster von Norbert, um in Rurberg über den Eiserbachdamm zu fahren. Er folgte dem Flusslauf der Urft bis zur Urfttalsperre, fuhr über die Victor-Neels-Brücke und machte sich anschließend an den Anstieg zur Ordensburg Vogelsang. Dieser Anstieg ist wirklich anspruchsvoll und hinterlässt bei jedem Fahrer einen bleibenden Eindruck. Von der Ordensburg Vogelsang ging es weiter zum ehemaligen Truppenübungsplatz Wollseifen. Auch dieser Streckenabschnitt musste von mir komplett neu geplant werden, genau wie die darauf folgende Abfahrt nach Einruhr.
Wer sich für die Ordensburg Vogelsang oder den ehemaligen Truppenübungsplatz Wollseifen näher interessiert, kann gerne in meinen früheren Blogbeiträgen stöbern. In diesen habe ich bereits ausführlich über die beiden historisch sehr interessanten Orte und ihre zum Teil düstere Vergangenheit berichtet.
Eine Reise ins Mittelalter
Mit der Ankunft in Einruhr verlassen die Teilnehmer den Rursee und folgen der Rur hinauf nach Monschau. Ein Besuch in Monschau ist wie eine Reise in die Vergangenheit, wo verwinkelte Gassen an liebevoll restaurierten Fachwerkhäuser vorbeiführen. Allerdings ist gerade an Wochenenden dieses Städtchen völlig überlaufen, daher empfehle ich einen Besuch unter der Woche.
Weiter führte der Track entlang der Rur bis an die belgische Grenze und über einen weiteren Anstieg gelangt man in den Ort Kalterherberg. Das markante Wahrzeichen des Ortes ist der Eifeldom, eine doppeltürmige Pfarrkirche im neuromanischen Stil. In Kalterherberg bietet es sich an, die Gelegenheit zum Einkaufen zu nutzen, da der historische Teil von Monschau nur Andenkenläden und hochpreisige Gastronomie bereithält.
In der Zwischenzeit war ich nach Hause zurückgekehrt, da Ramon nur noch wenige Kilometer von Klotten entfernt war. Dort galt es noch ein paar Vorbereitungen für sein Finish zu treffen und ich freute mich schon sehr, den ersten Teilnehmer wieder in Empfang zu nehmen.
Mein Namensvetter Holger war in der Zwischenzeit ebenfalls in Klotten angekommen und hatte den Eifel Graveller vorzeitig beendet. Am Dienstagabend war er bis kurz vor Blankenheim gefahren, übernachtete dort in einer Hütte und entschied sich zu scratchen. Somit war ein Fahrer weniger auf dem Track des Eifel Gravellers unterwegs und es waren nur noch sieben.
Johannes gelang es gestern, einen Fahrradladen zu finden und seine Bremse reparieren zu lassen. In Gerolstein stieg er in den Zug, um nach Birresborn zu gelangen, wo ihm bei Bike Sport Clemens geholfen werden konnte. Dieses Vorgehen ist völlig regelkonform mit dem Codex des Unsupported Bikepacking. Johannes ist an der gleichen Stelle wieder in den Track eingestiegen, wo er ihn verlassen hat. Die Entscheidung den Zug zu nehmen war darüber hinaus äußerst clever, da er sehr viel Zeit sparte und seine Beine schonen konnte.
Vorbereitungen für die Zielankunft
Hier in Klotten liefen die Vorbereitungen für den ersten Finisher auf Hochtouren. Die Ziellinie musste noch markiert und die Flamm Rouge sorgfältig ausgemessen werden. Leider besitze ich nicht so einen schönen aufblasbaren Bogen wie bei der Tour de France, um die 1000-Meter-Marke anzuzeigen. Meine Kreidezeichnungen waren allerdings durchaus gelungen und jeder Fahrer hielt für ein Foto an.
Kurz vor 20:00 Uhr war es endlich so weit und Ramon erreichte als erster Fahrer wieder Klotten. Die ganze Zeit standen wir gespannt auf dem Moselschieferplatz, beobachteten die Trackingseite und fieberten dem Finish von Ramon entgegen. In Karden, wo die Teilnehmer die Eifel verlassen und wieder die Mosel erreichen, etwa acht Kilometer vor dem Ziel, wurde sein Dot vor dem griechischen Restaurant angezeigt. War Ramon jetzt etwa noch etwas essen gegangen, schoss es mir durch den Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein, aber wenig später sprang sein Dot weiter Richtung Ziel und ich atmete erleichtert auf.
In nur 3 Tagen und 10 Stunden war Ramon 850 Kilometer durch die Eifel gefahren und hatte dabei 15.000 Höhenmeter überwunden. Was für eine fantastische und außergewöhnliche Leistung, vor der ich nur meinen Fahrradhelm ziehen kann.
Am Abend ging es noch zu meinem Freund Andreas in sein Hotel Kapellenhof, um Ramon’s Finish und seinen grandiosen Ritt durch die Eifel zu feiern. Leider hatte Ramon bereits am nächsten Tag familiäre Verpflichtungen und wurde noch am Abend von seiner Frau abgeholt. Gerne hätte ich ihm ein Bett für die Nacht angeboten und gemeinsam mit ihm am nächsten Tag gemütlich gefrühstückt.
Donnerstag, 06.07.2023:
Am fünften Tag des Eifel Graveller traute ich am Morgen kaum meinen Augen beim Blick auf die Trackingseite. Sebastien war bereits durch Kaisersesch gefahren und würde in etwa drei Stunden in Klotten ankommen. Seine letzte Position, bevor ich mich in mein Bett gelegt hatte, war kurz hinter St. Johann. Das bedeutete, er war am Abend und in der Nacht noch um den Laacher See geradelt, über den Hochstein und den Hochsimmer gefahren, bevor er endlich Feierabend gemacht und sein Fahrrad abstellte. Seine Hütte lag auf der Abfahrt hinunter zum Schloss Bürresheim und neben der Hütte befindet sich sogar ein Brunnen. Wahrscheinlich hatte er sich dort für zwei Stunden hingelegt, ist früh morgens gestartet, weil er einen ganz speziellen Plan verfolgte. Von diesem erzählte er mir später, nachdem er gefinished hatte.
Gruselige Nächte in der Eifel
Die meisten anderen Teilnehmer hatten es sich in den Hütten nach dem Perlbachtal, nahe der belgischen Grenze, gemütlich gemacht. Bei meiner Spendenfahrt für Trappen Tegen Grenzen, erreichte ich diesen Abschnitt ebenfalls erst spät am Abend und es wurde schon dunkel. Die ersten beiden Hütten bestehen nur aus zwei Wänden mit einem Dach und bilden eine Art Dreieck. Eine dieser Hütten wäre für mich in Ordnung gewesen, allerdings gab es dort keinen Internetempfang.
Für die Spendenfahrt wollte ich unbedingt noch ein bisschen auf Social Media aktiv sein und ein paar Fotos posten. Daher musste ich die dritte Hütte nehmen, da es nach ihr so schnell keine mehr auf dem Track gab. Leider stellte ich auch dort schnell fest, der Handyempfang war miserabel und es bestand keine Chance, etwas zu posten. Die Hütte war mir darüber hinaus noch völlig unheimlich, schon ein bisschen abgerockt und in die Jahre gekommen. Sie lag an einem ewig langen Schotterweg, flankiert von hohen Tannen, die in den Himmel ragen. Es herrschte eine Totenstille und es war stockdunkel. Das Ganze wirkte wie eine Szene aus der Serie „The Walking Dead“, wo jeden Moment die Untoten aus dem Gebüsch hervorkommen. Deshalb gab ich ihr den Spitznamen, die „Walking-Dead-Hütte“. Genau dort verbrachte Daniel seine Nacht, und bei Gelegenheit muss ich ihn unbedingt fragen, ob er es dort genauso gruselig fand.
Spannender Zweikampf
Henning hatte es bis hinter Hellenthal geschafft und übernachtete in der „Benni-Hütte“ im Prethbachtal. Diese Hütte bietet ebenfalls keinen Handyempfang, wodurch die Tracker ihre Position nicht an Follow My Challenge senden können. Dieser Umstand wäre Guido bei der ersten Ausgabe des Eifel Gravellers fast zum Verhängnis geworden und er hätte seine Führung an Benni verloren. Guido übernachtete auf einem Hochsitz kurz vor Dahlem und schaute immer, wenn er wach wurde, auf die Trackingseite, um reagieren zu können, wenn Benni losfuhr. Da es die ganze Zeit so aussah, als würde Benni noch schlafen, weil der Tracker kein Signal sendete, wurde Guido völlig überrascht. Nachdem er bemerkt hatte, Benni ist nur noch ein ganz kleines Stück von seiner Position entfernt, packte er in Windeseile seine Sachen und schwang sich auf sein Fahrrad. Bis zur Hohen Acht lieferten sich die beiden anschließend ein spannendes Duell um die Führung. Erst auf der traillastigen Abfahrt von der Hohen Acht gelang es Guido Benni abzuhängen und mit einem Vorsprung von zwei Stunden als erster Finisher in Klotten anzukommen.
Überwältigende Freude im Ziel
Gegen 9 Uhr machte ich mich heute Morgen auf den Weg, denn ich wollte unbedingt noch ein paar Fotos von Sebastien schießen, bevor er die Ziellinie überquerte. Mein Plan war es, ihn an der Burg Pyrmont oder der Roeser Mühle abzufangen. Leider wurde ich von einem Konvoi aus zwei Lastwagen und einem Müllfahrzeug aufgehalten, sodass er diese beiden Punkte schon passiert hatte, nachdem ich eingetroffen war. Hinter Möntenich hatte ich endlich Erfolg mit meiner Verfolgungsjagd und erwischte ihn. Auf seinem Gesicht lag schon breites Grinsen und seine Augen funkelten. Er hatte noch ein kurzes Flachstück vor sich, bevor es an den Windheuser Höfen hinunter an die Mosel ging. Die letzten Kilometer vor dem Finish sind unbeschreiblich. Du fährst wie im Rausch und fliegst die letzten Kilometer bis zum Ziel. Genauso erging es heute Sebastien und mit einem lauten Triumphschrei überfuhr er die Ziellinie. Danach legte er sein Fahrrad behutsam auf den Boden und setzte sich daneben. Es war förmlich zu sehen, wie die ganze Anspannung von ihm abfiel und er im puren Glück badete. Sein Plan bestand darin, den Track des Eifel Gravellers in unter vier Tagen zu bezwingen. Und mit einer beeindruckenden Zeit von 3 Tagen, 23 Stunden und 45 Minuten, ist es ihm auch gelungen. Meinen allergrößten Respekt vor dieser grandiosen Leistung!
Nach seinem Zieleinlauf begleitete mich Sebastien zu mir nach Hause, wo er als erstes unter die Dusche sprang und anschließend ein zweites Frühstück mit uns einnahm. Danach war er völlig erschöpft und legte sich für drei Stunden hin, um ein wenig Schlaf nachzuholen. Gegen Mittag verabschiedete er sich schließlich und fuhr zurück nach Belgien, wo ab Morgen wieder der Alltag auf ihn wartet. Das wird ein krasser Switch für ihn, vom Bikepackingmodus auf Real Life umzuschalten. Mit diesem Wechsel habe ich auch immer meine Probleme, wenn ich von totaler Freiheit und meiner großen Leidenschaft, in meinen Alltag zurückkehren muss.
Während Sebastien sie ausruhte, nutzte ich die Zeit, um den Bus erneut zu packen. Gegen 13 Uhr machte ich mich auf den Weg zur Hohen Acht. Am Wanderparkplatz unterhalb der Hohen Acht wartete ich gespannt auf Henning und wir fuhren nach seinem Eintreffen gemeinsam hoch zum Kaiser-Wilhelm-Turm. Von dort oben genossen wir die atemberaubende Aussicht vom höchsten Punkt der Eifel und ich zeigte Henning, wo der Track ihn noch hinführen würde.
Der zweite Anlauf
Henning bestreitet, genau wie Dieter, den Eifel Graveller zum zweiten Mal. Bereits 2020 war er bei der besonderen Corona-Ausgabe am Start, bei der jeder Teilnehmer seinen Startpunkt frei wählen durfte. Damals waren Gruppen und größere Veranstaltungen nicht erlaubt, sodass ich das Konzept des Eifel Gravellers an die veränderten Umstände anpassen musste. Henning startete damals in Nideggen, kaum bei mir in Klotten vorbei und war auf dem Weg in den Hunsrück. Doch kurz vor Mörsdorf verfing sich ein Ast in seinem Schaltwerk und brach ihm das Schaltauge ab. Leider hatte er keinen Ersatz dabei und es war unmöglich, ein passendes Schaltauge zu besorgen. So musste er unglücklicherweise den Eifel Graveller aus technischen Gründen vorzeitig beenden. Schon damals versprach er sofort, dass er wiederkommen würde, um auch den Rest der Strecke zu absolvieren und sich die weiteren Sehenswürdigkeiten der Eifel anzuschauen. In diesem Jahr hat er sein Versprechen eingelöst und bisher läuft es reibungslos für ihn. Abgesehen von einem Satz Bremsbeläge, die er wechseln musste, läuft sein Fahrrad wie eine gut geölte Maschine. In der Zwischenzeit hatte er sich deutlich von der ehemaligen Vierergruppe abgesetzt und wird morgen wohl als dritter Finisher über die Ziellinie fahren.
Auf den höchsten Berg der Eifel
Nachdem ich Henning verabschiedet hatte, fuhr ich nach Adenau. Adenau liegt am Fuße der Hohen Acht und im Stadtteil Breitscheid befindet sich der tiefste Punkt der Nordschleife. Da die Verpflegungsmöglichkeiten an diesem Tag dünn gesät waren, steuerten Tobias, Daniel und Dieter direkt den ersten Imbiss an. Anschließend wurde sich noch ordentlich in den zahlreichen Lebensmittelläden eingedeckt, da es bis zum Ziel in Klotten kaum noch die Möglichkeit dazu gibt. Durch diesen Umstand müssen alle Lebensmittel und Getränke, den langen Anstieg hinauf zur Hohen Acht geschleppt werden, was wirklich kein Zuckerschlecken darstellt. Durch meine zahlreichen Scoutingtouren musste ich dieses Prozedere auch schon mehrmals auf mich nehmen. Die Drei meisterten diese Aufgabe jedoch mit Bravour und so fuhr ich zum zweiten Mal an diesem Tag hoch zum Kaiser-Wilhelm-Turm auf der Hohen Acht.
Oben am Turm trafen wir eine Gruppe niederländischer Bikepacker, die auf der Suche nach einem Restaurant und einem Campingplatz für die Nacht waren. Dieser sympathischen Truppe konnte ich ganz schnell weiterhelfen und nutzte nebenbei die Gelegenheit, ein wenig Werbung für den Eifel Graveller zu machen.
Von der Hohen Acht fuhr ich weiter nach Virneburg. Dort führt die Strecke ein Stück über den Virneburger Traumpfad, wo man einen grandiosen Blick auf die Virneburger Burg genießen kann. Nach dem anschließenden Anstieg zum Brauberg gelangt man auf das Plateau der Blumerather Heide. Neben einer tollen Schutzhütte kann man hier die typische Fauna und Flora einer Heidelandschaft bewundern.
Eine lange Abfahrt bringt die Fahrer anschließend ins Nitztal, vorbei an der bekannten Wallfahrtskirche St. Jost, bis zum kleinen Dorf Nitztal. Dort beginnt der Anstieg hinauf nach Waldesch und weiter ins Dorf Kirchwald. Durchquert man das Nitztal am späten Abend oder am frühen Morgen, ist es ratsam, warme Kleidung anzuziehen. In den frühen Morgenstunden oder in der Nacht kann es unheimlich kalt dort sein, wie ich aus Erfahrung berichten kann.
Auf dem Weg hinauf nach Waldesch passieren die Fahrer den Nitztalblick. Ich hoffe, dass jeder Teilnehmer den 300 Meter langen Abstecher dorthin gefahren ist, denn der Ausblick ist atemberaubend und entschädigt für den anstrengenden Anstieg.
Tobias und Daniel sind weiter ins Nettetal abgefahren und haben nach einem weiteren Anstieg ihren Schlafplatz in der gemütlichen Sulzbusch-Hütte gefunden. Diese Hütte ist von drei Seiten geschlossen, hat einen Betonboden und bietet einen fantastischen Blick ins Nettetal. In dieser „Fünf-Sterne-Hütte“ werden sie bestimmt eine erholsame letzte Nacht in der Eifel verbracht haben.
Eine Übernachtungsmöglichkeit finden
Henning hat es noch bis zum Laacher See und hinter das Kloster Maria Laach geschafft. Sein Übernachtungsplatz lag hoch über dem Laacher See, dem größten Maar, das die Eifel zu bieten hat. In der Ahrenfeld-Hütte, ebenfalls ein sehr geräumiges Modell, wird auch Hennig eine geruhsame Nacht verbracht haben.
Dieter ist ein Stück zurückgefallen. Kurz vor Adenau hatte ihn ein Hungerast erwischt, worauf er sich erst einmal kräftig verpflegen musste und hinter der Hohen Acht einen kleinen Powernap einlegte. Danach ging es ihm wieder besser, er schöpfte neue Kräfte und schaffte es bis zur Hütte am Fuße des Braubergs. Von dort aus hat er einen großartigen Blick auf die Virneburg und den Sternenhimmel.
Ich hatte meinen Schlafplatz auf dem Mitfahrerparkplatz in Mendig gefunden. Von dort aus plante ich am Morgen mit dem Fahrrad zum Kloster Maria Laach zu radeln und mich Tobias und Daniel anzuschließen. Vielleicht erwische ich Henning noch am Morgen, da der Track direkt an meinem Parkplatz vorbei führte.
Johannes möchte ich in meinem Bericht natürlich nicht vergessen. Am gestrigen Tag hat er den Nationalpark Eifel und den Rursee erreicht. Unterwegs hielt er ebenfalls bei Norbert, um eine erfrischende Dusche zu nehmen und fuhr dann noch weiter bis zur Urfttalsperre. Johannes hat reichlich Zeit, da er sich zwei Wochen Urlaub genommen hat, um sich dem Abenteuer Eifel Graveller zu stellen. Er möchte den Track des Eifel Gravellers in aller Ruhe befahren, sich möglichst viel anschauen und die Eifel in vollen Zügen genießen.
Genau das ist es, was ich am Konzept von Unsupported Bikepacking Events so großartig finde. Jeder macht sein eigenes Ding und fährt wie er es möchte. Die einen suchen die persönliche Herausforderung und versuchen so schnell wie möglich das Ziel zu erreichen. Andere fahren in der Gruppe, um neue Bikepacker kennenzulernen und mit ihnen eine tolle Zeit zu verbringen. Wieder andere Fahrer möchten sich möglichst viele Sehenswürdigkeiten anschauen, die der Track zu bieten hat und nehmen sich ganz viel Zeit für die Strecke.