Dass fast alle Fahrrad- und insbesondere Bikepackingevents in diesem Jahr ausfallen ist für mich kein Weltuntergang, sogar fast eher das Gegenteil. Ich wollte sowieso wieder mehr back to the Roots, mehr Touren für mich alleine fahren, neue Landschaften und Regionen in Ruhe entdecken, meine Liste mit Bikepackingtouren und Projekten „abarbeiten“. Zum Beispiel das Wegenetz des Eifel Gravellers ausbauen und verbessern, sodass ich irgendwann die ganze Eifel erschlossen habe.
Eine neue Bikepackingroute entlang des ehemaligen Westwalls, von der Schweiz bis an die niederländische Grenze entwickeln, wovon ein erster Entwurf schon fertig ist und auf meiner Internetseite steht: Die „Westwall Divide“. Einen neuen Tagesevent „Climb the Eifeltowers“ anbieten und darüber hinaus noch einen neuen entwickeln. Der ist durch die viele Zeit, die mir Corona „geschenkt“ hat, auch schon fertig. Er heißt „Beat the Night“.
Genauso gut kann ich aber auch die Enttäuschung verstehen, die viele empfinden, die sich auf Events gefreut und sich auch darauf vorbereitet haben, sowohl was Ausrüstung als auch Kondition angeht. Gerade die Treffen, die mit solchen Events fast immer einhergehen, sind die Gelegenheit, viele interessante und spannende Menschen kennenzulernen und für mich immer sehr inspirierend. Allerdings habe ich im letzten Jahr an zu vielen Events teilgenommen und war zu verbissen was das Radfahren und meine Motivation anging.
„Es ist das, was du daraus machst!“ ist das Motto meines Events. Aber für mich persönlich hat die ganze Sache auch eine andere, dunkle Seite, weshalb ich dieses Jahr ein bisschen die Reißleine gezogen habe. Gerade dieses „Ulracycling“, über viele Stunden und Tage Fahrradfahren und Unterwegs sein, bedient bei mir die gleichen Mechanismen und Ventile, wie einige andere extreme und ungesunde Verhaltensweisen, die ich im Laufe meines Lebens entwickelt und gelebt habe. Zu schauen wie weit ich gehen kann, was ich erreichen und leisten kann, wo meine Grenzen liegen, wie weit ich mich antreiben und quälen kann. Dabei geht es viel um Kontrolle, um Perfektionismus, darum mich und meinen Körper zu spüren, bestimmte Dinge nicht mehr zu fühlen und einfach platt zu bügeln. Auch mich zu bestrafen und kaputt zu machen waren oft Gedanken, die damit in Zusammenhang standen und mich angetrieben haben. Etwas wert zu sein durch Leistung, weil die eigene Person dafür nicht ausreicht oder als ungenügend von mir empfunden wurde. Deshalb ist gerade die Anerkennung, die mit guten Leistungen beim Radfahrern und Sport verbunden sind, Balsam für mein Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Dabei fällt mir das Annehmen und stolz darauf zu sein, sehr schwer und ist nie von langer Dauer ist und gibt mir keine Sicherheit für zukünftige Projekte.
Es ist eher so, dass jedes Mal die Dosis gesteigert und die Frequenz verkürzt werden muss, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Und Sport ist da noch ein harmloser und recht gesunder Weg, die oben genannten Zustände zu erreichen oder sich und das Leben auszuhalten. Ich habe viel zu lange gegen mich und vor allem gegen meinen Körper gekämpft, bis ich diesen fast völlig kaputt und zum Zusammenbruch gebracht hatte. Einige dieser Spuren sieht man heute noch. Die gehören aber zu mir, sind eine Mahnung und Erinnerung an meine Vergangenheit. Etwas, wo ich nie wieder hin möchte. Heute versuche ich lieber für und mit mir zu kämpfen, anstatt gegen mich. Es war ein langer Weg bis dorthin, wo ich heute stehe, der nicht immer geradlinig verlief und oft von Rückschritten und Rückfällen gekennzeichnet war. Ich bin aber schon verdammt weit gekommen, auch wenn ich immer gut auf mich aufpassen werden muss. Vieles von dem, was ich so treibe, muss ich immer kritisch hinterfragen und reflektieren. Denn Sicherheit gibt es nicht, das ist eine Illusion, das führt uns Corona wieder schön vor Augen. So sehr wünschte ich mir oft Sicherheit oder dass jemand einfach zu mir sagt: „Alles wird gut!“ und dann mit seinen Zauberstab schwingt. So funktioniert das aber nicht. Sicherheit bekomme ich nur, indem ich mir selber vertraue.
Wie der Hase vor der Schlange zu sitzen und in Totenstarre zu verfallen, ist keine Option. Dieses wäre der „Freeze Typ“, der sich abfindet und resigniert. Nach einer psychologischen Theorie gibt es drei unterschiedliche Typen, wie wir auf Stress und Krisen reagieren. Neben dem „Freeze Typ“ gibt es noch den „Flight und „Fight Typ“. Wobei ich persönlich oft erst einmal mit Erstarren, Angst und Panik reagiere. Irgendwann gehe ich dann in Aktionismus und Kämpfen über, um eine Veränderung zu erreichen, einen neuen Weg zu beschreiten und doch noch an mein Ziel zu kommen. Deshalb habe ich mir für alle Events aus dem Eifel Graveller Universum auch coronakonforme Konzepte ausgedacht: Aus „Climb the Eifeltower“ ist eine Dauerchallenge geworden, die jeder absolvieren kann wann und wie er möchte. Damit ich auch Spaß mit den Türmen habe und auch Tedde de Boar von Follow My Challenge ein bisschen unterstütze, dem alle Events in diesem Jahr weggebrochen sind, habe ich mir „Climb all Eifeltowers“ ausgedacht. Zwei Teams werden an einem Tag alle zwölf Eifeltürme anfahren und besteigen. Ein Team fährt rechts herum, dass andere bewegt sich links herum auf dem Track und wir werden hoffentlich alle viel Spaß haben. Vermutlich am nächsten Tag auch ziemlich schwere Beine. Natürlich habe ich mir auch für mein absolutes Herzensprojekt, den „Eifel Graveller“ etwas ausgedacht, damit dieser stattfinden kann. Allerdings möchte ich dazu noch nicht allzu viel verraten. Bloß so viel: das neue Konzept gefällt mir fast noch besser als das Ursprüngliche.
Vor allem die jetzige Krise hat mir gezeigt und mich darin bestärkt, meine Projekte auf jedem Fall weiter zu verfolgen und durchzuziehen. Es ist wichtig, Träume und Ziele zu haben, diese nicht ewig aufschieben, sondern zu verfolgen und versuchen sie umzusetzen. Denn das Leben und die Umstände können sich so schnell ändern und dann kann es zu spät sein. „Machen ist wie wollen, nur krasser!“
One Comment
Lelia König
Ich kann dir nur vollkommen zustimmen 🙂 Alles eine Frage der Perspektive. Machen wir das Beste daraus, und suchen unsere eigenen Abenteur =)