Mein Artikel im LifeCycle Magazin #11

Bereits im Juni erschien ein Artikel von mir im LifeCycle Magazin, bei diesem handelt es um ein ganz feine Fahrradzeitschrift, welche mit ganz viele Liebe zum Details von Martin Donat produziert und herausgegeben wird. Vielen Dank Martin, für die Gelegenheit etwas über den Eifel Graveller zu berichten und die Chance, über verschiedene Themen, welche mir sehr am Herzen liegen, ein bisschen was zu schreiben.
Wenn man bedenkt, dass ich früher auf der weiterführenden Schule jahrelang ein mangelhaft in Deutsch hatte und mein ehemaliger Deutschlehrer jetzt wohl die Welt versteht, zeigt dies, dass Themen wie Krise, Chance und Veränderung, um die es viel in meinem Artikel geht, möglich und machbar sind!

 

Die Krise als Chance?

Normalweise freut man sich im Frühling darauf, dass die Saison beginnt und dass man auf zahlreichen Events endlich wieder Gleichgesinnte trifft. Nicht so in diesem Jahr: Wie das öffentliche Leben steht auch die Radeventwelt still. Keine Messen, keine Rennen, keine Gravelevents. Und: Kein Eifel Graveller. Dahinter steckt Holger Loosen, der uns in seiner Kolumne tiefe Einblicke in seine Gefühlswelt gibt.

Anfang des Jahres hat sich wohl niemand träumen lassen, wie sich das Leben von jedem einzelnen, der gesamten Gesellschaft, ja der ganzen Welt verändern wird und welche Auswirkungen das alles auf unseren Alltag, unser Zusammenleben und die globale Wirtschaft hat. Die Folgen und Konsequenzen sind immer noch nicht abzusehen, das Ende ist völlig offen. Es spielen sich Szenarien ab, die wir sonst nur aus Hollywood Blockbustern oder Endzeitserien auf Streamingportalen kennen. Hamsterkäufe, sterbende Menschen auf Intensivstationen, völlig überforderte Krankenhäuser und Lastwagenkonvois beladen mit Särgen. Dass eine Gesellschaft und fast die ganze Wirtschaft völlig runtergefahren und zum Stillstand gebracht werden, finde ich immer noch völlig surreal. Denn dieses entschleunigte und runtergefahrene Leben, welches im Moment geführt werden soll, kommt mir eigentlich völlig entgegen, ist sehr nahe an dem, wie ich mein Leben führen und gestalten möchte. Im Hier und Jetzt zu sein, nachhaltig zu handeln und sich fortzubewegen, passt völlig zu meinem Ansatz und Verständnis, was Bikepacking angeht. Das sind genau die Dinge, weshalb ich Bikepacking so liebe, den es zeigt mir, wie wenig es braucht, um glücklich und frei zu sein. Klar, Freiheit oder Freiheiten sind im Moment eingeschränkt. Bikepacking alleine im Wald oder ein schneller Overnighter sind zum Glück immer noch möglich.

Das alles passt auch hervorragend zu den Themen Entschleunigung, der Minimalismusbewegung oder dem Trend zum Tiny-House, die in den letzten Jahren aufgekommen sind. Dass mir einige dieser Lebensweisen durch solche schwierigen und beängstigenden Zeiten jetzt sogar „vorgeschrieben“ werden und für die ganze Gesellschaft verordnet wurden, ist schon ziemlich abstrakt. Vor allem, dass dies zu so einem hohen Preis stattfindet, es viele Menschenleben und Existenzen kosten wird, ist gedanklich noch nicht so ganz greifbar für mich. Wie oft habe ich schon von diversen Therapeuten den Satz zu hören bekommen: „Krise als Chance und…“! Genauso oft hat mich dieser Satz schon völlig wütend gemacht und ich dachte nur: „Stecke dir deinen Kalenderspruch sonst wohin…“. Allerdings – so blöd und abgedroschen der Satz auch klingen mag – er stimmt! Eine Krise ist eine Chance. Sie zeigt, worauf es wirklich ankommt, auf was man alles verzichten kann und was man nicht wirklich benötigt. Mit wie vielen Dingen oder Tätigkeiten wir uns nur ablenken, uns zudröhnen oder einfach nur stumpf konsumieren.

Dass es zu Vielem auch Alternativen und so viel Neues zu entdecken gibt, lernen wir oft erst durch eine Krise. Auch viele Facetten und Verhaltensweisen an uns selber fallen uns erst auf, wenn es mal nicht so rund läuft. Krisen haben immer einen Auslöser und oft auch einen „Sinn“: Sie zeigen uns auf, dass gewisse Muster und Mechanismen nicht mehr funktionieren und es Zeit für Veränderung ist. Veränderung ist wohl auch nur durch eine Krise möglich, so zumindest ist leider meine Erfahrung. Veränderung braucht halt einfach einen Auslöser oder einen Grund. Sie ist immer mit Einsicht und oft mit dem Eingeständnis des Scheiterns verbunden. Das ist zwar kein schöner Vorgang und eine schmerzhafte Erfahrung, die Angst und Unsicherheit in uns auslöst, aber durch dieses Tal müssen wir in solchen Situationen dann leider gehen. Das klingt jetzt vielleicht auch abgedroschen, aber damit etwas heilt, muss es weh tun. Gerade in unserer Leistungsgesellschaft ist Schwäche zeigen ein Makel und wird schnell zu einem Stempel. Dabei gehört gerade zum Schwäche zeigen und sich Hilfe zu suchen sehr viel Mut und Überwindung und ist eigentlich ein bewundernswerter Schritt und anerkennenswert.

Wenn ich ehrlich bin, hat die Krise mein Leben gar nicht so sehr auf den Kopf gestellt. Klar, dass meine Tochter zurzeit nicht zu mir kann und wir uns dadurch viel weniger sehen als normalerweise, finde ich sehr schade und das macht mich sehr traurig. Auch mit meinen Eltern unter einem Dach zu wohnen und mit ihnen dennoch möglichst keinen Kontakt zu haben, ist praktisch nicht gerade einfach umzusetzen. Ansonsten bin ich aber schon lange ein Mensch, der viel über die sozialen Medien oder die verschiedenen Messengerdienste Kontakt hält. Mit zu viel Nähe tue ich mich ohnehin oft schwer und es gibt auch Zeiten, in denen ich sie gar nicht zulassen kann. Mich abzugrenzen ist wichtig für mich, bei mir zu sein und meinen (Sicherheits-) Raum um mich zu haben. Mir persönlich nimmt dieses Social Distancing viele soziale Verpflichtungen und auch Druck weg. Deshalb betreibe ich wohl auch so gerne Bikepacking. Den ganzen Tag alleine im Wald herumfahren, nachts auf einer einsamen Hütte übernachten und mit der Zivilisation komme ich nur zum Einkaufen in Kontakt. Nur die Geräusche der Natur und diese friedliche Stille. Kein Lärm, Krach, Unterhaltungen oder Musikbeschallung, welche in der normalen Welt ständig auf uns niederprasseln und die wir oft gar nicht mehr wahrnehmen. Nicht ständig dieses Hintergrundrauschen und diese Ablenkung meiner Sinne zu haben ist eine Wohltat für mich.

Was für mich angenehm ist, wenig physische Kontakte und Stille zu haben, löst bei vielen anderen bestimmt Angst und Beklemmung aus. Ein Gefühl von Haltlosigkeit und verloren sein – das kann ich mir sehr gut vorstellen. Gerade Krisen sind auch immer eine Zeit der Angst und der Zweifel. Wie viele andere Menschen, habe auch ich – meist ziemlich unbegründet –  mit Verlust- und Existenzängsten zu kämpfen. Mit der Angst zu leben, sich von ihr nicht beherrschen und treiben zu lassen, ist etwas, an dem ich lange arbeiten musste. Dabei ist sie eigentlich ein Warnsignal, ein Schutzmechanismus für den Menschen. Sie ist aber auch, wie die Krise selbst, eine große Chance, sich selber viel besser kennenzulernen und persönlich gestärkt daraus hervorzugehen. Auf seine Resilienz zu achten, diese auszubauen und zu stärken, sich mit mehr Achtsamkeit im Hier und Jetzt zu bewegen, könnte für uns am Ende dabei herauskommen. Veränderung ist immer möglich und sie kann auch zum Positiven geschehen.

Dass fast alle Fahrrad- und insbesondere Bikepackingevents in diesem Jahr ausfallen ist für mich kein Weltuntergang, sogar fast eher das Gegenteil. Ich wollte sowieso wieder mehr back to the Roots, mehr Touren für mich alleine fahren, neue Landschaften und Regionen in Ruhe entdecken, meine Liste mit Bikepackingtouren und Projekten „abarbeiten“. Zum Beispiel das Wegenetz des Eifel Gravellers ausbauen und verbessern, sodass ich irgendwann die ganze Eifel erschlossen habe. 

Eine neue Bikepackingroute entlang des ehemaligen Westwalls, von der Schweiz bis an die niederländische Grenze entwickeln, wovon ein erster Entwurf schon fertig ist und auf meiner Internetseite steht: Die „Westwall Divide“. Einen neuen Tagesevent „Climb the Eifeltowers“ anbieten und darüber hinaus noch einen neuen entwickeln. Der ist durch die viele Zeit, die mir Corona „geschenkt“ hat, auch schon fertig. Er heißt „Beat the Night“.

Genauso gut kann ich aber auch die Enttäuschung verstehen, die viele empfinden, die sich auf Events gefreut und sich auch darauf vorbereitet haben, sowohl was Ausrüstung als auch Kondition angeht. Gerade die Treffen, die mit solchen Events fast immer einhergehen, sind die Gelegenheit, viele interessante und spannende Menschen kennenzulernen und für mich immer sehr inspirierend. Allerdings habe ich im letzten Jahr an zu vielen Events teilgenommen und war zu verbissen was das Radfahren und meine Motivation anging. 

„Es ist das, was du daraus machst!“ ist das Motto meines Events. Aber für mich persönlich hat die ganze Sache auch eine andere, dunkle Seite, weshalb ich dieses Jahr ein bisschen die Reißleine gezogen habe. Gerade dieses „Ulracycling“, über viele Stunden und Tage Fahrradfahren und Unterwegs sein, bedient bei mir die gleichen Mechanismen und Ventile, wie einige andere extreme und ungesunde Verhaltensweisen, die ich im Laufe meines Lebens entwickelt und gelebt habe. Zu schauen wie weit ich gehen kann, was ich erreichen und leisten kann, wo meine Grenzen liegen, wie weit ich mich antreiben und quälen kann. Dabei geht es viel um Kontrolle, um Perfektionismus, darum mich und meinen Körper zu spüren, bestimmte Dinge nicht mehr zu fühlen und einfach platt zu bügeln. Auch mich zu bestrafen und kaputt zu machen waren oft Gedanken, die damit in Zusammenhang standen und mich angetrieben haben. Etwas wert zu sein durch Leistung, weil die eigene Person dafür nicht ausreicht oder als ungenügend von mir empfunden wurde. Deshalb ist gerade die Anerkennung, die mit guten Leistungen beim Radfahrern und Sport verbunden sind, Balsam für mein Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Dabei fällt mir das Annehmen und stolz darauf zu sein, sehr schwer und ist nie von langer Dauer ist und gibt mir keine Sicherheit für zukünftige Projekte.

Es ist eher so, dass jedes Mal die Dosis gesteigert und die Frequenz verkürzt werden muss, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Und Sport ist da noch ein harmloser und recht gesunder Weg, die oben genannten Zustände zu erreichen oder sich und das Leben auszuhalten. Ich habe viel zu lange gegen mich und vor allem gegen meinen Körper gekämpft, bis ich diesen fast völlig kaputt und zum Zusammenbruch gebracht hatte. Einige dieser Spuren sieht man heute noch. Die gehören aber zu mir, sind eine Mahnung und  Erinnerung an meine Vergangenheit. Etwas, wo ich nie wieder hin möchte. Heute versuche ich lieber für und mit mir zu kämpfen, anstatt gegen mich. Es war ein langer Weg bis dorthin, wo ich heute stehe, der nicht immer geradlinig verlief und oft von Rückschritten und Rückfällen gekennzeichnet war. Ich bin aber schon verdammt weit gekommen, auch wenn ich immer gut auf mich aufpassen werden muss. Vieles von dem, was ich so treibe, muss ich immer kritisch hinterfragen und reflektieren. Denn Sicherheit gibt es nicht, das ist eine Illusion, das führt uns Corona wieder schön vor Augen. So sehr wünschte ich mir oft Sicherheit oder dass jemand einfach zu mir sagt: „Alles wird gut!“ und dann mit seinen Zauberstab schwingt. So funktioniert das aber nicht. Sicherheit bekomme ich nur, indem ich mir selber vertraue.

Wie der Hase vor der Schlange zu sitzen und in Totenstarre zu verfallen, ist keine Option. Dieses wäre der „Freeze Typ“, der sich abfindet und resigniert. Nach einer psychologischen Theorie gibt es drei unterschiedliche Typen, wie wir auf Stress und Krisen reagieren. Neben dem „Freeze Typ“ gibt es noch den „Flight und „Fight Typ“. Wobei ich persönlich oft erst einmal mit Erstarren, Angst und Panik reagiere. Irgendwann gehe ich dann in Aktionismus und Kämpfen über, um eine Veränderung zu erreichen, einen neuen Weg zu beschreiten und doch noch an mein Ziel zu kommen. Deshalb habe ich mir für alle Events aus dem Eifel Graveller Universum auch coronakonforme Konzepte ausgedacht: Aus „Climb the Eifeltower“ ist eine Dauerchallenge geworden, die jeder absolvieren kann wann und wie er möchte. Damit ich auch Spaß mit den Türmen habe und auch Tedde de Boar von Follow My Challenge ein bisschen unterstütze, dem alle Events in diesem Jahr weggebrochen sind, habe ich mir „Climb all Eifeltowers“ ausgedacht. Zwei Teams werden an einem Tag alle zwölf Eifeltürme anfahren und besteigen. Ein Team fährt rechts herum, dass andere bewegt sich links herum auf dem Track und wir werden hoffentlich alle viel Spaß haben. Vermutlich am nächsten Tag auch ziemlich schwere Beine. Natürlich habe ich mir auch für mein absolutes Herzensprojekt, den „Eifel Graveller“ etwas ausgedacht, damit dieser stattfinden kann. Allerdings möchte ich dazu noch nicht allzu viel verraten. Bloß so viel: das neue Konzept gefällt mir fast noch besser als das Ursprüngliche.

Vor allem die jetzige Krise hat mir gezeigt und mich darin bestärkt, meine Projekte auf jedem Fall weiter zu verfolgen und durchzuziehen. Es ist wichtig, Träume und Ziele zu haben, diese nicht ewig aufschieben, sondern zu verfolgen und versuchen sie umzusetzen. Denn das Leben und die Umstände können sich so schnell ändern und dann kann es zu spät sein. „Machen ist wie wollen, nur krasser!“

„Es ist das, was du daraus machst“

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