V2B – D.N.F.

Freitag: (28.08.2020)

Heute ging es zu Andrew Grau nach Karlsruhe, um Morgen beim V2B zu starten. Bei diesem Event geht es 1000 Km und 20.000 Hm durch die Vogesen und den Schwarzwald. Wer Lust hat das Event Live zu verfolgen, hier ist der Link fürs Dotwatching:
https://www.followmychallenge.com/live/v2b2020/
Am Rheinkiosk in Karlsruhe war am frühen Abend ein Treffen der Starter, bei ich auch einige Bekannte und Freunde getroffen habe. Den wie ich früher schonmal hier geschrieben habe: “Genau darum geht es für mich beim Bikepacken und vor allem bei den Events, Menschen zusammenzubringen, eine Möglichkeit zu haben, sich zu begegnen und kennen zulernen. Menschen, welche genauso der Faszination Fahrrad und dem Überwinden von langen Strecken verbunden sind, wie ich selber. Im besten Fall ergeben sich neue und lange Freundschaften aus diesen Begegnungen.”
Mit dem V2B habe ich noch eine Rechnung aus dem letzten Jahr offen, war es doch mein erstes Bikepackingevent, welches ich nicht gefinished habe. Deshalb stehe ich in diesem Jahr nochmal am Start und versuche mein Glück.
Wie immer bin ich ziemlich aufgeregt vor so einer Veranstaltung und viele Gedanken schwirren durch meinen Kopf. Habe ich mich genug vorbereitet was Training, Ausrüstung und Beschäftigung mit der Strecke angeht? Wie werde ich mit unvorhergesehen Dingen und Ereignissen umgehen? Was wird schlechtes Wetter und schwierige Bedingungen mit mir machen und werde ich sie bestehen? Dies obwohl ich schon etliche Events gefahren bin, unzählige Tage bikepacken war und recht erfahren bin was dieses Thema angeht. Wieso stelle ich mich immer wieder solchen Herausforderungen, diese Frage schwirrt mich schon länger im Kopf herum? Wo gerade etwas nicht hinzubekommen, zu scheitern und aufgeben zu müssen, einer meiner größten Ängste und oft Thema bei mir sind. Wäre es da nicht logischer und fürsorglicher, mich einfach nicht mehr solchen Herausforderung zu stellen, lieber eine ruhige Kugel auf der Couch zu schieben und mich erst gar nicht in diese Situation zu begeben? Eigentlich ziemlich paradox, eine wirkliche Antwort habe ich für mich noch nicht gefunden, dabei werde ich oft nach meiner Motivation und dem Warum gefragt.
Eine Freundin schrieb mir gestern zu diesem Thema, dies machen Menschen, welche sehr mit sich im reinen sind. Darüber habe ich lange nachgedacht, denn im reinen bin ich mit mir nicht, dass sind immer nur Momente und Augenblicke wo ich diesen Zustand genießen darf. Wahrscheinlich liegt da aber der Antrieb, diesen Zustand zu finden und zu erreichen, bei mir und eins mit mir zu sein.
Klar, es geht mir auch Anerkennung, jemandem etwas zu bedeuten und Bestätigung. Dieses will wohl jeder oder jeder zweifelt von Zeit zu Zeit daran und stellt es in Frage. Gerade das Thema jemanden etwas zu bedeuten oder sogar geliebt zu werden, beschäftigen mich ziemlich oft, wo Nähe und Distanz nicht zu meinen Stärken gehören.
Wobei es mir mittlerweile gar nicht mehr so um das Außen geht, sondern mehr um Selbstanerkennung und Selbstbestätigung, nur für mich. Solche Dinge wie sich Wertschätzen, sich selber lieben, sich verzeihen können und nicht immer so hart zu sich selber sein. Ich spreche hier auch nicht von Narzissmus oder Egoismus.
Sondern von einem tragfähigen Fundament, welches ich mir in erster Linie nur selber geben und auch zugestehen muss. Wenn das Innere im Einklang ist, funktioniert auch das Außen. Zwischen diesen beiden herrschte bei mir viel zu lange und viel zu oft erhebliche Differenzen. Alleine schon das Wahrnehmen des einen und des anderen bereitete mir erhebliche Schwierigkeiten, davon diese in Einklang zu bringen ganz zu schweigen.
Genau aus diesem Grund stelle ich mich wohl immer wieder solchen Herausforderungen, um mich einzulassen, loszulassen und mehr über mich zu lernen!
In diesem Sinne wird es wohl eine sehr interessante und spannende Tour durch die Vogesen und den Schwarzwald werden. Die Schönheit der Chance und die Gefahr des Scheiterns machen wohl den Reiz und viel meiner Motivation aus.
Hoffe ihr verfolgt ab und zu meinen Tracker und ich versuche ein paar schöne Fotos und Eindrücke meiner Tour zu posten. Fürs Schreiben werde ich wohl nicht soviel Zeit haben, denn ab Morgen gilt wieder: “Ride, Eat, Sleep, Repeat!”

Samstag: (29.08.2020)

Es war ein harter und fordernder Tag in dieser schroffen und wilden Natur der Vogesen. Die Beschaffenheit des Tracks ist ebenfalls ruppig und schwer. Es gibt Sandpisten, viele Steine und Felsen, verblockte Abfahrten und technische Trails. Genau mein Geläuf und ein Fest für mein Gravelbike. Ein bisschen härter ist genau mein Ding und die Herausforderung welche ich suche.
Mit zwei Plattfüssen hatte ich einigen Ärger und dem Aufpumpen eines Schlauchs. Diese Prozedere musste ich vier Mal wiederholen, weil sich immer das Ventil mit heraus drehte, wenn ich die Pumpe entfernte. Das Ganze kostete mich eine Stunde und ein paar Nerven. Da half nur radikale Akzeptanz, ruhig bleiben und später beim Radfahrern ein paar Achtsamkeitsübungen.
Es gibt aber keinen Grund zur Panik oder zum Hadern, bin ich doch schon viel weiter gekommen wie im letzten Jahr, auch die Stelle wo meine Schaltung kaputt ging, habe ich schon passiert.
Alles in bester Ordnung, ich fahre mein Tempo und meine Strategie. Das Beste ist allerdings die Freiheit, das Unterwegs sein und das genießen dieser großartigen Landschaft!
Meine Luftmatraze und mein Schlafsack werden heute Nacht bequemer sein wie jedes Himmelbett und dazu über mir der Sternenhimmel, besser geht es kaum im Leben! Wünsche euch eine gute Nacht und noch ein schönes Wochenende.

Sonntag: (30.08.2020)

Lange nicht mehr so einen nassen und intensiven Tag im Sattel verbracht wie heute. Wie vorausgesagt, hat es am Morgen angefangen zu regnen und bis jetzt auch noch nicht aufgehört. Auch die Temperaturen lagen heute meiste Zeit im einstelligen Bereich und gerade auf den Abfahrten wurde es richtig kalt.
Endlose Anstiege und Berge gab es heute zu erklimmen, am Abend standen 135 Km und 3.000 Hm auf meinem Garmin.
So unfreundlich und hart die Bedingungen heute auch waren, so traumhaft schön war die Landschaft. Aus den Tälern stiegen Nebelsäulen auf, die Berggipfel waren verhüllt und außer dem Regen war es totenstill. Alles leuchtete in intensiven grün, überall floß Wasser herunter und alles schien ein bisschen unwirklich.
Dazu das monotone Treten in die Pedale, der Kampf gegen den Regen, die Kälte und erneut ein platter Reifen. Mich immer weiter motivieren, nach vorne pushen und immer mein Ziel visualisieren. Den Widrigkeiten trotzen, diese überwinden, nicht an mir und meinen Fähigkeiten zweifeln haben den Tag zu einem grandiosen Erlebnis werden lassen, an dass ich mich noch lange erinnern werde.
Am Abend gab es zur Belohnung ein Hotel, ein richtiges Bett und vor allem eine Dusche. Die war besser wie …!
Ich war aber auch dermaßen verdreckt, nass und voller Schlamm, draußen schlafen wäre heute nicht wirklich schön gewesen.
Außerdem muss ich Morgen früh erst einkaufen, steht doch die Königsetappe zum Grand Ballon an und die Möglichkeiten zur Verpflegung sind mehr wie dürftig.
Morgen soll auch das Wetter wieder besser werden und so steht einem weiteren Hammertag auf dem Fahrrad nichts im Weg.

Montag: (31.08.2020)

Dadurch das ich die Nacht im Hotel verbracht hatte und Einkaufen auch noch auf meiner ToDo Liste stand, ging es heute Morgen erst spät auf den Track.
Überhaupt entpuppte sich der Tag als einer der härtesten in meiner Bikepacking Karriere. Die einzigen Geschenke, in Form von Süßigkeiten und Getränken, gab es bei der Tralmagic Aktion von Axel, Marc und Andrew, ansonsten musste alles hart erkämpft werden. Vor allem die 3500 Höhenmeter, welche fast ausschließlich über sehr steinige Forstwege führten und sehr unsympathisch zu kurbeln waren.
Auch das Wetter war wieder nicht auf unserer Seite, fast den ganzen Tag Regen und wieder einstellige Temperaturen.
Von der wundervollen Landschaft war auch wenig zu sehen, da alles voller Nebel und Wolken hing, auch für das genießen der vielen Highlights blieb aufgrund des miesen Wetters keine Zeit und viel Lust, weil es galt immer weiter zu fahren, um nicht auszukühlen.
Um 23 Uhr, nach einem weiteren Anstieg von 800 Höhenmeter am Stück, erreichten wir bei strömenden Regen und 5 Grad den Grand Ballon auf 1400 Meter Höhe gelegen. Dieses Abenteuer fällt unter die Kategorie, am besten nicht wiederholen!
Unter der Überdachung, des auf dem Grand Ballon gelegenen Restaurant, breiten wir unsere Schlafsäcke aus und wurden am Morgen von dem Wirtepärchen geweckt.
Die beiden waren total nett, wir durften unsere Sachen im Heizungsraum trocken, die Toiletten benutzen und es gab ein riesen Frühstück mit allem drum und dran. Die beiden haben uns echt den Arsch gerettet, die 7 Kilometer lange Abfahrt mit nassen Klamotten wäre die Hölle geworden.
Wie ihr seht, geht es immer weiter und wie aus dem Nichts gibt es Hilfe und alles wird gut. Bikepacken ist immer sehr analog zum richtigen Leben, die beste Therapie und gibt die Möglichkeit viel über sich und andere Menschen zu lernen!

Mittwoch: (02.09.2020)

Nachdem der Tag mit so einem geilen Frühstück gestartet war, ließ das erste Drama nicht lange auf sich warten. Auf der Abfahrt vom Grand Ballon hatte ich kaum noch Bremsleistung. Die zwei Regentage mit Matsch und Schlamm, haben meine Bremsbeläge völlig gefressen. Leider habe ich keinen Ersatz dabei, weil die Hope Beläge seit Wochen nicht lieferbar sind. Zuhause hatte ich meine letzten beiden Paare montiert und jetzt habe ich keine mehr. Seit 120 km bremse ich nur noch auf Eisen und die blockieren ein bisschen. Es ist als ob ich mit angezogener Handbremse fahre.
Habe mich jetzt bis kurz vor Basel gerettet und leider waren die Fahrradläden hier schon zu. Werde jetzt weiter nach Basel fahren und hoffentlich ein paar Bremsbeläge dort Morgen auftreiben, drückt mir die Daumen! Auch mein Tracker hatte mal den Geist aufgegeben aber Tedde hat es wieder hingekommen, Danke!
Ansonsten war der Tag sehr intensiv heute bei mir. Viele Gedanken und Gefühle gingen mir durch den Kopf, wenn Freud und Leid so eng beieinander ließen. Das wühlt viele Parallelen zu meinem Leben und meiner Vergangenheit in mir auf.
Trotzdem war der Tag klasse, ich bin frei, die Welt ist so groß und es gibt soviel zu entdecken. Nicht in diesem Hamsterrad rennen, was sonst zu 95% im Leben angesagt ist. Sich um Dinge kümmern, die angeblich sein müssen oder wir zu wollen haben!
Na ja, ich hoffe ich habe noch ein paar Tage über die ganzen Themen nachzudenken, wenn ich Morgen die Bremsbeläge aufgetrieben habe.

Donnerstag: (04.09.2020)

Nach dem Aufstehen habe ich fünf Fahrradläden in Basel abgeklappert, überall waren sie sehr nett und bemüht mir zu helfen, leider ohne Erfolg. Die von mir benötigten Hope Bremsbeläge waren nicht aufzutreiben. Damit war der Event für mich beendet und am V2B bin ich ein 2. Mal gescheitert.
Im ersten Moment war ich schon ziemlich enttäuscht und geknickt. Hatte ich mich doch 2 ½ Tage, bei übelstem Wetter durch die Vogesen gekämpft und nun war Endstation! Auch meine Beine und die Ausrüstung waren noch in bester Ordnung. Ab Basel wäre auch mein Gravelbike völlig zur Geltung gekommen, weil genau das richtige Fahrrad für den Schwarzwald!
Was hilft am besten gegen Trübsal blasen und komische Gedanken: Natürlich Fahrradfahren! Ein erstes Ziel hatte ich mir auch schnell überlegt und so ging es nach Freiburg. Da der Weg dorthin flach und asphaltiert war, ging dies sogar mit meinen kaum vorhanden Bremsen. In Freiburg war ich mit einer sehr lieben Freundin verabredet, um einen Kaffee zu trinken und schon nach einigen Kilometern ging es mir wieder besser. Auch ein bißchen mit Leona Radfahren und einen Kaffee trinken, haben mir sehr gut getan und so beschloss ich auch noch den Rest zurück nach Karlsruhe zu fahren.
Wenn ich schon nicht den ganzen V2B Track gefahren bin, dann wollte ich wenigstens aus eigener Kraft zurück nach Karlsruhe fahren. Die Fahrt zurück zu meinem Auto zog sich noch ganz schön hin und erst um 5 Uhr am Morgen, konnte ich mich auf meine Matratze in mein Auto legen und hatte am 5. Tag nochmals 250 Kilometer abgespult!
Allzu Lange konnte ich allerdings nicht schlafen, da mein Freund Guido kurz vor Karlsruhe war und im Begriff zu finishen. So gegen 9 Uhr wachte ich auf, schaute auf mein Handy und danach hatte Guido noch 30 Km zu fahren. Aber weit gefehlt, im selben Moment klopfte es an mein Fenster und Guido stand vor meinem Auto. Ich schnell aus meinem Schlafsack, Guido umarmen, Fotos schießen und den Moment genießen. Menschen, welche dieses Schauspiel beobachtet haben, dachten bestimmt, da sind zwei Verrückte weggelaufen. Guido in seinen bunten Klamotten und ich barfuß, nur in T-Shirt und Unterhose. Wenig später tauchte auch Andrew auf und gratulierte Guido! Nachdem alle Sachen verstaut, sich ein wenig gewaschen und wir uns umgezogen hatten, ging es noch auf ein Frühstück in die Bäckerei und ein bißchen feiern.
Auch wenn ich den V2B nicht gefinished habe, bin ich trotzdem total froh dort gewesen und gestartet zu sein. Alleine durch die Vogesen zu fahren, war ein Traum. So eine wundervolle Landschaft, so schroff und wild, mit den riesigen Bergen und tiefen Tälern, absolut beeindruckten. Wobei, wenn besseres Wetter gewesen wäre, dass ganze noch eine Stufe geiler gewesen wäre.
Auch viele Freunde habe ich getroffen und neue Menschen kennengelernt. Denn genau darum geht es bei solchen Events, Menschen kennenlernen und neue Gebiete & Landschaften zu entdecken. Um den Wettkampf geht es mir kaum noch, denn der tut mir nicht wirklich gut und weckt Seiten in mir, die besser ruhen und nicht geweckt werden.
Auch mit dem Beenden meiner Fahrt in Basel, meinem Besuch in Freiburg, haben sich einige Kreise geschlossen und ich habe Orte mit viel guter Erinnerung besucht. Manchmal sind die Kreise auch Ellipsen bei mir oder etwas verbogen aber wichtig ist, dass sie sich schließen, um einen Abschluss zu finden, damit neue Dinge beginnen können.

„Es ist das, was du daraus machst“

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