Donnerstag: (17.09.2020)
Heute Morgen habe ich mich doch ganz schön alt gefühlt, als ich mich von meiner Matratze erheben wollte. So ein Badewannenlifter wäre nicht schlecht gewesen, der mich auf mein Fahrrad setzt. Dabei hatte ich um 6 Uhr den Wecker schon einfach ausgestellt, mich nochmal schön eine Stunde in meinen Schlafsack gekuschelt und das Aufstehen so hinausgezögert. Die Temperaturen in der Eifel waren über Nacht auch empfindlich gefallen. Gab es vor 2 Tagen noch über 30ig Grad, waren es heute Morgen gerade noch 8 und es blies auch kräftig der Wind! Wobei dies nicht weiter tragisch war, hatte ich doch schon Temperaturen am Morgen von gut unter Null in der Eifel.
Nachdem ich die Beine dann schön langsam warm gekurbelt hatte, war meine erstes Ziel die Oleftalsperre und damit Hellenthal schnell erreicht. Dort gab es endlich Kaffee, ein Frühstück, eine Toilette und 4G. Wie ich dann über Facebook erfuhr, hatte Anneke Krols heute einen Tag Pause eingelegt, ihre Beine waren schwer und der Rücken tat ihr weh. Auf diese Entscheidung kann sie richtig stolz sein und sie hat alles richtig gemacht! Sie hat auf ihren Körper gehört, sich nach ihm gerichtet und getan was ihr gut tut. Genau über dieses Thema, hatte ich in meinem letzten Post auf Fb auch geschrieben und über die Probleme, welche ich damit habe. Ich kann mir genau Annekes Gedankenkarussell, Selbstzweifel und wahrscheinlich auch Selbstvorwürfe vorstellen, bis sie sich zu dieser Entscheidung durchgerungen hat.
Ein selbst gestecktes Ziel nicht zu erreichen, noch dazu bei einer Aktion, wo man von vielen Menschen beobachtet wird und dann Schwäche zeigen zu muss, ist richtig hart. Nicht perfekt zu, sich vielleicht auch überschätzt zu haben, Erwartungen nicht zu erfüllen und schwach zu wirken, gehört auch für mich mit zu den schlimmsten Vorstellungen die ich habe. Auch zu den härtesten und schlimmsten Erfahrungen, welche ich machen musste.
Aber meinen riesen Respekt, dass sie es sich eingestanden hat und dann einfach ihre Pläne & Ziele angepasst und geändert hat. “Auch mal Schwäche zeigen, ist die neue Stärke”, kann ich dazu nur sagen!
Nachdem ich meine Fahrt, mit einem guten Frühstück und zwei Kaffee im Bauch fortgesetzt hatte, waren auch meine Beine wieder gut und es lief wie geschnitten Brot! Dies war auch dringend nötig, stand doch der übliche Eifelstyle mit Auf & Ab auf dem Programm.
Über Dahlem ging es runter an die Ahr, um dann den langen Anstieg Richtung Nürburgring in Angriff zu nehmen. Bevor es zum 2. Mal runter an die Ahr geht, gibt es ein Stück, welches aus einem mit gras bewachsenen Feldweg besteht, welcher sehr buckelig und nicht schön zu befahren ist. Für die 2020 Ausgabe des Eifel Gravellers hatte ich diese Stück durch ein besseres ersetzt, allerdings musste ich es heute nochmal fahren, war ich doch auf dem alten Track unterwegs. Vor mir tauchten auf einmal zwei riesige Pfützen auf, welche sich in den Fahrspuren befanden. Rechts und links des Weges war Gestrüpp, so das dies auch keine Alternative war, um drum herum zu fahren. Also beschloss ich durch die Mitte zu fahren, da diese im Normalfall super befahrbar ist, weil es dort die Fahrzeuge nicht schaffen, den Weg kaputt zu machen. Dies war leider ein Trugschluss und die Idee in der Mitte zu fahren, mehr als suboptimal. Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde kam mein Fahrrad zum Stehen und nur weil ich so langsam gefahren war, katapultierte es mich nicht über den Lenker, denn dann wäre ich schön mit dem Gesicht im Matsch gelandet. Stattdessen war mein Fahrrad bis zu den Steckachsen und dem Tretlager im Matsch eingesunken und nachdem ich die Beine abgestellt hatte, standen auch diese bis zu den Knöcheln im Schlamm. Nachdem ich abgestiegen war, mir das ganze Schlamassel mal angeschaut hatte, hat es noch eine Ewigkeit gedauert, bis ich mein Fahrrad aus dem Schlamm befreit hatte. Wenn die Situation nicht so komisch gewesen wäre, hätte ich heulen können, sah doch ich und mein Fahrrad aus wie Sau! Nachdem ich die Laufräder mit meiner Trinkflasche einigermaßen sauber gemacht hatte, so dass diese sich wieder drehen konnten, setzte ich meine Fahrt fort und erreichte schon bald den Nürburgring.
Der Nürburgring gilt als einer der Wahrzeichen in der Eifel, liegt er doch unter der Nürburg und der Hohen Acht, welche das Dach des Eifel Gravellers bildet. Ich allerdings tue mir ziemlich schwer mit dieser Rennstrecke, alleine schon durch ihre Erbauer und die Historie. Auch ist eine solche Rennstrecke, in meinen Augen, in der heutigen Zeit nicht mehr vertretbar. Wirtschaft und Arbeitsplätze hin oder her, solche Auswüchse kann sich die Menschheit nicht mehr leisten. Was dort aus purem Spaß an Co2 produziert wird, ist der reine Wahnsinn. Von der Lärmbelästigung und wie viele Tote diese Rennstrecke schon gekostet hat, ganz zu schweigen. Vor allem glauben viele Besucher des Nürburgrings, die ganze Eifel wäre eine Rennstrecke, so dass gerade Rennradfahren auf den Straßen rund um den Nürburgring, eine äußerst gefährliche Angelegenheit darstellt.
Am Nürburgring musste ich dann leider, aus zeitlichen Gründen, den Track verlassen und bin auf der Straße zurück an die Mosel gefahren. Ich wollte unbedingt am Abend zuhause sein, damit ich in Ruhe meinen Kram auspacken und alles für meine Fahrt nach Antwerpen vorbereiten konnte. Dort will ich am Sonntag zusammen mit Anneke die letzte Etappe von Trappen Tegen Grenzen fahren und sie ins Ziel begleiten.
Auf dem Rückweg, legt ich noch einen kleinen Zwischenstopp, am Grab meines vor ein paar Wochen verstorbenen Freundes ein. Diese Tragödie habe ich immer noch nicht wirklich verarbeitet und so ganz für mich akzeptiert, auch wenn ich mal wieder viel darüber nachgedacht habe, auf meiner Fahrt durch die Eifel. Sein Gesicht habe ich immer noch völlig präsent vor Augen, auch wenn ich es nie wieder sehen werde. Seine Stimme klingt noch immer in meinen Ohren, auch wenn diese nie wieder hören werde und es macht ich immer noch unendlich traurig, dass er nicht mehr da ist!
Ansonsten hat mir die Fahrt durch die Eifel sehr gut getan, ich bin wieder einigermaßen bei mir angekommen und im Reinen mit mir, nachdem die letzte Woche ziemlich schwierig war bei mir und ich eigentlich gar nicht starten wollte.
Unterwegs zu sein, keinen festen Ort zu haben und sich immer irgendwie im dazwischen zu bewegen und zu fühlen, tut mir komischerweise sehr gut. Wahrscheinlich weil es mein inneres widerspiegelt, dieses Gefühl, welches ich oft habe, dass ich nirgendwo dazu oder hingehöre. Selten das Gefühl habe zuhause zu sein oder irgendwo angekommen. Mich einlassen und mich binden gehören zu den ganz schwierigen Dingen in meinem Leben. Meine Verlustängste und die Angst vor Nähe stehen mir da oft im Weg, machen viel kaputt oder lassen erst gar nichts zu! Zum Beispiel mich zu verlieben, was für die meisten Menschen zur schönsten Sache auf der Welt gehört, ist für mich der pure Horror! Nichts bringt mich mehr ins Schwimmen, löst mehr Zweifel in mir aus und hinterlässt mehr Chaos, wie dieser “Vorgang”.
Deshalb stehe ich wohl auch so auf das Bikepacken, weil ich völlig minimalistisch unterwegs bin, meine Sachen in 20 Minuten gepackt und ich verschwunden bin. Zu verlieren gibt es auch nicht viel, weil ich nur das Nötigste dabei habe und mich völlig frei und ungezwungen fortbewegen kann!
Damit aber mal genug Psychokram und Geschichten aus der Eifel für diese Woche! Wünsche euch noch einen schönen letzten Arbeitstag und dann ein wohlverdientes Wochenende!