Kompensation & Back Home Rursee!

Samstag: (13.11.2021)

Zum Glück hatte ich mich heute mit Roman verabredet, sodass ich mich nicht alleine dem miesen Wetter am Rursee stellen musste. Am Morgen wurde schon dadurch geweckt, dass der Regen auf mein Busdach trommelte. Nachdem ich die Vorhänge zur Seite geschoben hatte, bot sich mir kein einladendes Bild zum Mountainbiken. Tief hängende graue Wolken und Regen. Am liebsten hätte ich die Vorhänge wieder zu gezogen und mich einfach in meinem Bett nochmal herumgedreht. Allerdings war ich zum Frühstücken und anschließenden MTB fahren verabredet. Also schnell anziehen, auf dem Weg noch Brötchen besorgen und ab nach Hausen.
Daran sieht man mal wieder, wie klein die Welt ist. In meiner Jugend und jungen Erwachsenenjahren verbrachte ich dort etliche Sommer auf dem Campingplatz am Ufer der Rur. In dieser Zeit wurde wohl der Grundstein für meine große Liebe für die Gegend rund um den Rursee gelegt. Für mich der schönste Teil der Eifel und trotz meiner vielen Besuche hier, hat es nicht an Reiz und Faszination für mich verloren.

Ein tolles Projekt

Roman habe ich vor einiger Zeit über den Eifel Graveller kennengelernt. Er plant im nächsten Sommer ein Café mit kleinem Fahrradladen und Zimmervermietung in Heimbach zu eröffnen. Auch Graveltouren und einen Fahrradverleih möchte er anbieten und damit sein Angebot abrunden.

Blick auf die Abtei Mariawald
Der Eifelblick Luna

Das Beste ist allerdings, sein neues Café liegt direkt am Track des Eifel Gravellers und stellt damit die ideale Anlaufstelle für Bikepacker dar.
Leider hatte es bis zum heutigen Wochenende nicht geklappt, dass wir uns persönlich kennenlernen und vor allem mal eine gemeinsame Runde mit dem Fahrrad drehen. Bei einer schönen Ausfahrt mit den Rädern in der Natur, lernt man sich in meinen Augen, am besten kennen.

Unser heutiges Ziel

Unser Ziel stellte heute der Wilde Kermeter dar. Ein riesiges Waldgebiet, welches oberhalb von Heimbach, ganz in der Nähe der Abtei Mariawald, im Nationalpark Eifel liegt. Diesen mal näher zu erkunden und nicht nur daran vorbeizufahren, steht schon lange auf meiner To-Ride-Liste. Als besonders Highlight gibt es dort den „Wilden Weg“, einen 1,5 Kilometer langer Naturerkundungspfad, welcher zum Teil über einen riesigen Holzsteg und durch einen Baumstammtunnel führt. Von der Hirschley, einem Felsvorsprung, kann man einen fantastischen Panoramablick über den Rursee genießen. Vom Aussichtspunkt „Vogelsang-Blick“, sieht man dagegen auf die NS-Ordensburg, die heute das Nationalparkzentrum beherbergt. Auch dieses und viele weitere Highlights der Eifel liegen auf dem Track des Eifel Gravellers.

Der Wilde Weg
Die Rursee Staumauer

Es war eine ausgezeichnete Idee, dieses Wochenende nochmal dem Rursee einen Besuch abzustatten, hatte ich doch die letzten Wochenenden sehr ruhig und seit längerer Zeit mal wieder zu Hause verbracht. Den ganzen Sommer war ich auf Achse und mit dem Bus unterwegs. Vor allem im September stand jedes Wochenende ein anderes Event in meinem Terminkalender. Da war es an der Zeit, den Oktober ruhiger zu gestalten und bis auf eine Woche Mountainbikefahrern im Schwarzwald, habe ich kaum eines meiner Fahrräder draußen bewegt.

Zeit für eine Pause

Meine Motivation war auch ziemlich im Keller und körperlich war es mal Zeit für eine Pause. Auch diese Mischung aus After-Event-Blues und einem Mangel an Zielen, welche sich oft am Ende der Session bei mir einstellt, musste ich erst einmal sacken lassen.
Dabei ist es wichtig, nach Erreichen eines Ziels, mal innezuhalten. Die ganzen Ereignisse und Erlebnisse zu reflektieren, diese zu hinterfragen und nach meiner inneren Gefühlswelt zu schauen. Auch wenn ich von diesem typischen Therapeutenspruch: „Was macht das jetzt mit ihnen, Herr Loosen?“, sofort Plaque bekomme, ist es doch genau das, was dann mal angebracht ist.

Mich direkt in das nächste Abenteuer stürzen ist auf lange Sicht nicht hilfreich und die Gefahr des Ausbrennens sehr hoch.
Auch wenn innehalten und mal ruhiger leben, nicht wirklich mein Ding ist. Ich dazu meistens in Form einer depressiven Episode „gezwungen“ werden muss, hat es am Ende immer seinen Sinn und sein Gutes. Für diese Erkenntnis habe ich Jahre benötigt und wenn ich in so einer Phase stecke, ist es trotzdem jedes Mal scheiße!

Die falsche Strategie

In früheren Zeiten bin ich diesem Zustand fast immer durch schneller, höher und weiter begegnet. Noch mehr machen, noch mehr erreichen wollen und vor allem mich noch mehr quälen. Um diesen Zustand, der in meinen Augen Schwäche darstellte, zu kompensieren. Dabei führt Kompensation nicht zum Ziel oder innerer Ausgeglichenheit. Wenn ich versuche zu kompensieren, türme ich nur auf der anderen Seite meines Problems etwas auf. So eine Art Gegengewicht, welches genauso schwer sein muss, wie die Sache, die mich aus dem Gleichgewicht bringt. Dieses gleicht kurzfristig die Waage wieder aus, aber dieser Mechanismus schaukelt sich immer höher auf, bis die Waage irgendwann ihr Gewichtslimit überschreitet, mein Leben zerbricht und alles in Scherben liegt.

Blick von der Hubertushöhe
Hirschley Blick

Deshalb weiß ich eine (Lebens)Pause, auch wenn sie ein bisschen erzwungen ist, mittlerweile sehr zu schätzen. Ich hoffe irgendwann komme ich an den Punkt, wo ich dies von selbst einsehe, sie mir ein- & zugestehe und lerne noch mehr auf mich zu achten.

Sonntag: (14.11.2021)

Was für ein nebliger, nasser und matschiger Tag im Hürtgenwald war das heute. Eigentlich jagt man bei diesem Wetter keinen Hund vor der Tür, sondern macht es sich zu Hause auf der Couch gemütlich. Aber gerade diese Bedingungen sind es, die eine ganz besondere Intensität aufkommen lassen, wenn man sich dazu überwunden hat, seine Komfortzone zu verlassen.

Eine besondere Stimmung

Der dichte Nebel lässt eine ganz besondere Stimmung im Hürtgenwald aufkommen, dazu schluckt er noch alle Geräusche und es herrscht eine absolute Stille. Dadurch gibt es wenig Ablenkung im Außen, nicht für die Augen und nicht für die Ohren. Dazu noch die ungemütlichen äußeren Bedingungen, wodurch man förmlich gezwungen wird, seinen Blick auf sich und sein Inneres zu richten.
Dieser Zustand ist nicht immer einfach auszuhalten für mich, ist es doch oft schrecklich laut in meinem Kopf, die Gedanken rattern und ich fühle getrieben und gehetzt.

Der Indemann
traumhafter Hürtgenwals
Die Wesertalsperre

Heute war dem nicht so! Die Stille um mich herum und das Alleinsein mit meinen Gedanken war äußerst angenehm, ließ mich klarer sehen und meine Akkus aufladen.

Ein besonderes Ziel

Für heute hatte ich mir ein ganz besonders Ziel ausgesucht. Einer der letzten Eifeltürme stand auf meiner To-Ride-Liste, welchen ich noch nicht besucht hatte. Den 36 Meter hohen Indemann, welcher einen Panoramablick auf den Tagebau Inden gewehrt. Der Indemann hat eine Form wie ein Roboter und wiegt stolze 280 Tonnen. Leider war ich zu früh dort, sodass der Turm noch geschlossen war und ich nicht hinaufsteigen konnte.
Auf dem Weg dorthin lag mit der Wehebachtalsperre und der Laufenburg schon zwei weitere sehr schöne Sehenswürdigkeiten, welche ich allerdings schon des Öfteren angesteuert hatte.
Den nächsten Stopp legte ich am Aussichtspunkt auf den Tagebau Inden ein. Dieser stellte allerdings ein sehr zweifelhaftes Highlight dar und verschlug sogar mir die Sprache. Welcher Wahnsinn dort für die Energiegewinnung betreiben wird, indem man Braunkohle für das Kraftwerk Weisweiler abbaut, lässt sich kaum beschreiben und hinterließ bei mir ein mehr wie mulmiges Gefühl.

Den inneren Schweinehund überwunden

Von dort ging es auf direktem Weg zurück zu meinem Bus, wo Streuselkuchen und ein großer Milchkaffee auf mich warteten. Trotz der widrigen Bedingungen am Morgen, hat es mir sehr gutgetan, dass ich gestartet bin und meinen inneren Schweinehund überwunden habe.
Etwas, das mir die letzten Wochen nicht immer gelungen ist, worüber ich gestern schon ein bisschen geschrieben hatte. Die letzte Zeit war in meinem Leben eher mal wieder angesagt, etwas ruhiger zu machen und innezuhalten. Diese Phase hatte sich zwischendurch zu einer ausgewachsenen depressiven Episode entwickelt und ich war ganz schön am struggeln.

Braunkohlekraftwerk Weisweiler
Tagebau Inden

Vor allem meine alten Dämonen stehen dann sofort wieder auf der Matte und bieten ihre zweifelhafte „Hilfe“ an, was die ganze Situation noch schwieriger und unerträglicher gestaltet. Auch dass ich mit regelmäßiger Selbstverständlichkeit an diesem Punkt stehe, ich diese Zeiten sogar in meinem Kalender eintragen könnte, weil sie sehr mit der Jahreszeit verknüpft ist, frustriert mich dann noch mehr.

Aus dem Takt

Der Übergang von Herbst auf Winter, gerade wenn die Uhr umgestellt wird, bringt mein inneres Gleichgewicht immer ziemlich durcheinander. Gerade das Fehlen von Licht, der Wärme der Sonne und die kürzeren Tage, setzen mir unheimlich zu.
Selbst meinen Essensrhythmus bringt die Umstellung auf Winterzeit durcheinander. Da ich sehr strikte Essenszeiten einhalte, weil sie mir Struktur und Halt geben, was mein Essverhalten betrifft, benötige ich immer ein paar Tage, um mich umzustellen. Mein Körper hat durch die Uhrzeitverschiebung früher Hunger, allerdings für meinen Kopf passt die Uhrzeit nicht. Auf der einen Seite freut es mich sehr, dass ich so etwas wie Hunger wieder wahrnehme, ist doch gerade Hunger und Sättigung eines der komplizierten Themen bei dem Weg aus einer Essstörung, hin zu einem gesunden Essverhalten.

Burg Laufenburg

Auf der anderen Seite hat das Festhalten an strikten Essenszeiten auch viel mit Kontrolle zu tun, um nicht den Überblick über das Essen zu verlieren und im Grunde genommen über mein Gewicht.
In diesem Zusammenhang, was den Übergang von Herbst auf Winter betrifft, stellte eine Freundin von mir eine gute Frage: „Du weißt das doch alles, warum ist das dann trotzdem jedes Mal so kompliziert für dich und müssten dir deine vielen Therapien dabei nicht helfen?“

In die Ecke gedrängt

So ad hoc konnte ich da gar keine Antwort drauf geben, b.z.w. ich fühlte mich sogar ein bisschen angegriffen und in die Ecke gedrängt. Die Frage implizierte bei mir, ich gebe mir keine Mühe, lasse mich hängen und bin nicht gut genug. Es gab mir das Gefühl, meine ganzen Therapien haben gar nichts gebracht, ich habe mich doch nicht wirklich eingelassen und nur Spielchen dort gespielt.
Dabei war mir eigentlich klar, dass meine Freundin es so nicht meinte oder darauf hinaus wollte. Es war einfach ehrliches Interesse an meinen Problemen und der Versuch eines Lösungsansatzes oder eines Anstupsers, weil ich eigentlich alle Antworten selbst weiß.
Wobei diese Art zu denken und Fragen aufzunehmen, es schnell persönlich zu sehen, oft ein Problem von mir darstellt. Es liegt wohl sehr darin begründet, dass ich mir selbst oft nicht traue, gerade wenn es mir psychisch nicht gut geht.

Burg Hengebach

Nicht immer bin ich mir sicher, ob ich es nicht vielleicht sogar will, dass es mir schlecht geht. Mich hängen lassen, klagen und beschweren ist der einfachere Weg, anstatt meinen Hintern hochzubekommen und etwas zu verändern. Seine Diagnosen als Ausrede für alles zu verwenden ist schon sehr verführerisch und wird gerade psychisch erkannten Menschen schnell unterstellt.

Gesehen werden

Dabei steckt einfach viel der Wunsch dahinter, dass meine Probleme und die Not, in der ich stecke, gesehen werden. Mir geht es eher um eine Art Anerkennung, dass ich wahrgenommen und beachtet werde.
Es geht mir nicht um Mitleid und auch Hilfe erwarte ich nur sehr bedingt. Dass einfach akzeptiert wird, dass es etliche Dinge in diesen Phasen gibt, welche nicht so gut funktionieren und unheimlich anstrengend für mich sind. Ich gerne mehr geben würde, für andere da sein möchte, es aber einfach nicht geht!

Ein täglicher Marathonlauf

In solchen Zeiten funktioniere ich in so einer Art Notprogramm, wo jeden Tag zur Arbeit gehen und das Nötigste im Haushalt auf die Reihe zu bekommen, einem täglichen Marathonlauf gleicht.
Trotz allem bin ich aber noch dieselbe Person, wie wenn es mir gut geht. Dass es mich nicht direkt zu einem schlechten Mensch macht, auch wenn es so aussieht, als würde ich mich nur um mich selbst drehen und es sehr egoistisch von außen betrachtet wirkt. Leider bin ich dann völlig mit mir selber beschäftigt, dann andere Menschen in mein Leben zu lassen, ihnen zu vertrauen und ihre Nähe auszuhalten, fast unmöglich.

Und sicherlich hatte ich schon hunderte Stunden von Therapie in meinem Leben. Aber Therapie lässt keine Gefühle verschwinden oder bewirkt, dass es nur noch angenehme im Leben gibt. So funktioniert das nicht!
Sie hilft in erster Linie besser mit diesen Gefühlen umzugehen. Vielleicht diese überhaupt mal wahrzunehmen, sie zu erkennen und einzuordnen. Sich ihnen gegenüber nicht völlig ausgeliefert zu fühlen. Sie für den Anfang vielleicht einfach mal auszuhalten, ohne irgendwelche schädlichen Verhaltensweisen anzuwenden, um sie erträglich zu gestalten.

Überlauf Obersee

Und wenn ich das Ganze aus dieser Perspektive betrachte, haben mir meine vielen Stunden Therapie eine ganze Menge gebracht und viel bei mir bewirkt. Ich kann meine Gefühle heute viel besser wahrnehmen, sie benennen und vor allem zulassen. Oft weiß ich auch den Auslöser oder den Glaubenssatz, der dahinter steckt.

Es gibt Alternativen

Vor allem muss ich mich nicht mehr selber verletzen, mich herunter hungern oder mich mit Essen vollstopfen, um meine Gefühle zu ertragen oder sie dadurch plattbügeln.
Das ist ein riesiger Fortschritt und ein immenser Lebensgewinn! Wahrscheinlich gehören diese depressiven Episoden auch einfach zu meinem Leben und meiner Persönlichkeit dazu und wenn ich in einer solchen stecke, werden sie sich immer scheiße anfühlen. Aber im Umgang mit diesen bin ich ziemlich gut geworden und sie haben auch nicht mehr diese katastrophalen Folgen wie früher!

„Es ist das, was du daraus machst“

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