Auf der Suche nach dem Grau!

Freitag: 26.06.2020:

Am letzten Wochenende legte mich ein Magen-Darm Infekt flach, so dass ich freiwillig fünf Tage Tee und keinen Kaffee trank. Dieses mehr als ungewöhnliche Trinkverhalten für mich zeigt, dass ich dem Tod wohl gerade nochmal so von der Schippe gesprungen bin! Auch an Radfahren war die ganze Woche nicht zu denken, hatte ich doch schon Mühe von der Couch in mein Bett zu gelangen. Aber genug des Jammerns, sonst heißt es direkt, kranke Männer sind immer so wehleidig.
Ab Mitte der Woche ging es aber wieder aufwärts mit mir, ich konnte arbeiten gehen und an diesem Wochenende auch endlich wieder auf mein geliebtes Fahrrad steigen. Bei diesem super Sommerwetter, welches zur Zeit herrscht, wäre es grob fahrlässig gewesen nicht bikepacken zu gehen, wobei das schöne Wetter noch umschlagen sollte.
Eine schöne Tour war auch schnell herausgesucht und so saß ich nachmittags im Zug nach Trier. Mein Plan war ein bißchen dem Track der Westwall Divide zu folgen und dieses mal von Trier aus in Richtung Aachen zu fahren. Liegen doch auf dem Stück vor Trier, so tolle Highlights wie die Irreler Wasserfälle, Echternach, die Teufelsschlucht, das Europadenkmal, Vianden und so weiter. Viele dieser Sehenswürdigkeiten kenne ich vom Rennradfahren oder dem Charly Gaul Marathon, da mich meine Touren schon öfter in diese Gegend verschlagen haben. Mit der Sauer, einem kleinen idyllischen Flüsschen, welcher die Grenze zwischen Luxemburg und Deutschland bildet, gab es auch eine tolle Gelegenheit der Abkühlung, so dachte ich.
Aber es kam mal wieder völlig anders, wie ich es mir so schön in meiner Fantasie ausgemalt hatte. Nach nur 40 km musste ich mir hinter Echternach unter einer Brücke unterstellen, da sich ein ziemlich heftiges Gewitter zusammengebraut hatte. Von den Sehenswürdigkeiten hatte ich noch nicht eine gesehen, da ich irgendwie die Sackgassen, um an die Bunker zu kommen nicht richtig auf die Reihe bekommen habe. Der Garmin war ständig was am umplanen und berechnen, wobei ich dieses Dinge alle abgestellt habe. Wird wohl nochmal Zeit für einen Werksreset.
Deshalb habe ich heute kein Foto für euch, im Recall sind wir Morgen trotzdem!
Nach gut einer Stunde ausharren unter der Brücke konnte ich meine Fahrt endlich fortsetzen, wobei der Tag gelaufen war und ich mich nur noch auf die Suche nach einem Schlafplatz begeben habe. Morgen ist auch noch Tag, um die ganzen tollen Highlights zu entdecken. Wirklich Druck hatte ich heute sowieso nicht auf dem Pedal und von meinen Bergziegenfähigkeiten war ich heute auch Meilenweit entfernt. Es ist und bleibt eine verkorste Woche aber dazu ein anderes Mal mehr, da muss ich selber erst einmal ein paar Dinge von durchdenken.
Dafür habe ich eine super Übernachtungsplatz gefunden. Direkt am Westwall Museum von Irrel, mit einem tollen Blick über das Tal der Sauer und bis zum Horizont die Eifel. Wenn heute Abend noch ein bißchen der Himmel aufklart und die Sterne zu sehen sind, ist meine Welt wieder völlig in Ordnung!

Samstag: (27.06.2020)

So war das Wetter irgendwie nicht vorhergesagt! Schon in der Nacht fing es an zu regnen und morgens beim Aufstehen regnete es immer noch. Also blieb mir nichts anderes übrig wie geduldig auszuharren bis der Regennachließ. . Geduldig warten gehört zu meinen absoluten Stärken, wenn ich neben meinem gepackten Fahrrad sitze.
Dabei waren so geringe Mengen an Niederschlag gemeldet, dass es eigentlich überhaupt kein Regen geben durfte. Wenn ich ehrlich bin, dachte ich das Bombenwetter der letzten Tage geht einfach so weiter. Deshalb ließ ich in weisser Vorraussicht auch schön die Regenklamotten zuhause, zum ersten Mal in diesem Jahr, muss ich dazu anmerken.
Es gibt so Touren die laufen einfach nicht rund und sollen offensichtlich nicht sein.
Deshalb warf ich meinen Plan um, weiter in die Eifel zu fahren und statte lieber den Irrler Wasserfällen und der Teufelsschlucht einen Besuch ab. Die Irrler Wasserfälle sind jetzt nicht Niagara Fälle und gehen mehr so als B-Highlight durch. Wogen die Teufelsschlucht ein AAA bekommt. Atemberaubende Felsformationen und so schmale Durchgänge, dass ich Mühe hatte mein Fahrrad durch zu bekommen. Mit dem Fahrrad durch die Teufelsschlucht zu fahren, ist sowieso keine so pralle Idee. Bike & Hike und zu 95% unnahbar. Auch mir trockenem Untergrund und meinem 29er hätte sich die Prozentzahl nicht signifikant erhöht. Auch die Schlucht von unten nach oben zu durchqueren, stellte sich im Nachhinein als suboptimal heraus. Auch wenn es übele Plackerei war, ich für die knapp 2 km eine Stunde benötige, es war die Mühe wert, vor allem weil es danach Frühstück gab.
Anschließend rollte ich locker die Sauer bis Wasserbillig runter, statte Saarburg einen kleinen Besuch ab, bevor es Richtung Trier ging.
Von dort folgte ich dem Jakobsweg, der hinter Schweich gleich mit der Streckenführung des Moselsteigs ist, um eine mega Hütte zum Übernachten zu finden. Hier habe einen 180 Grad Blick über ein paar der unzähligen Moselschleifen. Bin umgeben von Weinbergen und es gibt sogar so eine große Liege, mit absolut atemberaubend Panoramablick. Viel schöner kann das Leben nicht sein!

Sonntag: 28.06.2020:

Gefühlt war das heute ein Herbsttag in der Eifel. Tiefhängende, dunkle Wolken und es stürmte beachtlich. Zum Glück hatte ich fast den ganzen Tag nur Wind von hinten, wodurch ich flott voran kam, auch vom Regen blieb ich verschont!
Kurz nach meinem Start kam ich an einer weiteren Hütte vorbei, wo Jugendliche ihren Schulabschluss am feiern waren. Alle trugen T-Shirts mit Abschlussklasse 10b. Auch ich war mal in der 10b, habe dort meinen Schulabschluss absolviert und ebenfalls auf so einer ähnlichen Hütte gefeiert. Allerdings liegt dies jetzt genau dreißig Jahre zurück! Bei dem Gedanken musste ich mal schlucken, habe mich mal kurz geschüttelt und ihn direkt verworfen. Daraus wäre nur so eine “hätte hätte Fahrradkette” Gedankenspirale in meinem Kopf geworden, welche nicht besonder konstruktiv und hilfreich gewesen wäre.
Lieber setze ich meinen Weg auf dem Jakobsweg fort und in Wittlich gab es endlich die Chance auf ein Frühstück! Frisch gestärkt ging es auf verschiedenen Tracks des Eifel Gravellers weiter. Es ist schon von Vorteil, auf so ein großes und weitverzweigtes Netz zurückgreifen zu können.
Mein Weg führte mich über Viadukte, durch zahlreiche Tunnels, vorbei an verschiedenen Vulkanmaaren, durch einsame Täler und weite Blicke über die Eifel, bis ich wieder zuhause ankam.
Damit ging ein weiteres tolles Bikepackingwochenende zu Ende, welches ich dringend nötig hatte.
Mal wieder raus kommen, ein bißchen einsam durch die Natur streifen, meinen Kopf sortieren und mal wieder richtig durchatmen. Denn die Magen-Darm Grippe der letzten Woche hat mir mal wieder gezeigt, wie dünn das Eis in Bezug auf mein Körpergefühl, Essverhalten und psychisches Gleichgewicht doch ist.
Denn gerade durch Magen-Darm sind 2 bis 3 Kilo an Körpergewicht direkt verloren. Dieses Gefühl abzunehmen, dünner zu werden, fühlt sich leider immer noch scheiße geil an für mich, auch wenn ich genau weiß wo das hinführt. Das ist derselbe Mechanismus wie beim Alkoholiker der Alkohol oder beim Raucher die Zigaretten.
Auch hat man während so einer Geschichte keinen Hunger oder gar Appetit auf irgendetwas. Dadurch kommt dar mühevoll antrainierte Essensplan völlig durcheinander. Die Gefahr ist sehr groß, nicht wieder zu seinem regulären Essverhalten zurück zu kehren, sondern hier was wegfallen lassen, da was austauschen und Ruck Zuck fehlt wieder eine ganze Mahlzeit.
Auch bricht in dieser Zeit die gewohnte Struktur weg, es ist sogar noch schlimmer, weil man “nur” krank auf der Couch rumliegt. Nicht im Stande ist etwas zu leisten oder sich um die alltäglichen Aufgaben zu kümmern.
Dieses alles registriert der essgestörte Teil in meinem Kopf direkt und nennen wir es mal die Essstörungsstimme, fängt direkt an laut zu werden und der Kampf entbrennt.
Den einfach krank auf der Couch liegen, passt dieser Stimme gar nicht. Dann ist man faul, dann wird man dick, bekommt seinen Alltag und sein Leben nicht auf die Reihe und so einige andere unschöne Dinge schreit sie. Es entsteht ganz schnell eine Spirale der Abwertung, in dessen Verlauf auch einige andere Symptome nicht lange auf sich warten lassen. Das Gefühl der inneren Leere und Zerrissenheit. Der Halt in die eigene Person geht völlig verloren, die eigene Identität löst sich auf und eine Angst vor allem und jedem macht sich breit.
Wie verlockend ist es jetzt der Stimme im Kopf nachzugeben, die Kontrolle und Halt durch das Einsparen von Kalorien und das Verlieren von Kilos suggeriert. Wenn ich schon nicht mein Leben und die äußeren Umstände kontrollieren kann, dann wenigstens mich und meinen Körper.
Dabei ist diese Kontrolle Illusion, denn einzig die Essstörung bestimmt und kontrolliert dann das Leben. Sie treibt einen immer weiter in die totale Isolation, lässt einen immer zwanghafter und paranoider werden.
Sie bügelt alles an Emotionen und Gefühlen platt, bis nur noch eine sehr dünne und ziemlich tote Hülle übrig bleibt. Selber klar denken ist kaum noch möglich, das bisschen Energie benötigt der Körper für seine Grundfunktionen aufrecht zu erhalten.
Dabei steckt hinter der Essstörung nur ganz viel Angst und Unsicherheit. Die Angst nicht gut genug zu sein, zu versagen, Erwartungen nicht gerecht werden. Die Unsicherheit, wer man ist oder was will ich wirklich.
Durch die Essstörung wird versucht inneren Halt und eine Identität zu finden, um irgendwie durch sein Leben zu kommen. Die Leere und Langeweile nicht zu empfinden, diese innere Zerrissenheit auszuhalten, indem alle Gefühle und Emotionen abgetötet werden.
Der Weg hinaus, ist wie bei jeder anderen Sucht, wesentlich schwieriger und langwieriger, wie der hinein. Genesung oder gar Heilung ein harter und langer Prozess! Und so ganz geht diese Stimme im Kopf wohl nie mehr weg, sie wird immer auf ihre Chance lauern und ein Teil von mir bleiben.
Umso wichtiger ist es die Mechanismen zu verstehen und seine Strategien zu haben, um nicht wieder hinein zu rutschen.
Wünsche euch einen guten Start in die Woche und passt auf euch auf!

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„Es ist das, was du daraus machst“

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