Mittwoch: (17.06.2020)
Heute haben wir den Track der Westwall Divide verlassen und sind auf den Pfälzer Waldpfad eingebogen. Mit Andrew Grau sind wir auch wieder zu dritt und können
Gestern Abend sind Guido und ich noch bis kurz vor Mitternacht gefahren, bevor wir einen schönen Schlafplatz auf einem Sportplatz direkt neben der Nahe gefunden hatten. Zwischendurch hatte ich mit dem Gedanken gespielt durchzufahren, aber Guido war nicht wirklich dafür zu begeistern und die Luftmatratze und der Schlafsack waren dann doch zu verlockend, vor allem weil ich einen traumhaften Blick in den Sternenhimmel hatte.
Nach einem langen Tag im Sattel, gibt es nichts schöneres als in seinen Schlafsack zu kriechen, die Luftmatratze fühlt sich an wie ein Himmelbett und besser kann das Leben kaum sein.
Heute Morgen ging es bei Zeiten weiter, da Guido nicht zu spät in Klotten sein wollte und es lagen noch ein paar Kilometer vor uns. Auf den ersten 10 Kilometer gab es dann direkt 300 Höhenmeter zu bewältigen und auch der Kaffee ließ noch einige Zeit auf sich warten. Da es schon der 6. Tag war, dauerte das Eingrooven der Beine dementsprechend lange und auch mein Hintern meldete sich so langsam.
Nach einem großen Kaffee, einem Käsebrötchen und einem Puddingteilchen sah die Sache aber schon wieder ganz anders aus, die Beine kurbelten wieder munter und auch mein Hintern fühlte sich wieder wohl auf dem Sattel.
Es ist schon Wahnsinn, wie viel Zeug ich an so einem Tag in mich hineinstopfe, um meinen Kalorienbedarf zu decken und Power zum strampeln zu haben. Gestern waren das:
2 belegtes Brötchen, 2 Stücke Kuchen, 2 Teilchen, 1 Pizza, 1 Packung saure Zootiere, 1 Packung Nüsse, 1 Packung Schokokekse, 4 Riegel aller Art, 1 Packung Mettwürstchen, 2 Milchshakes, 3 Kaffee, 6 Liter Schorle, 2 Fanta und irgendetwas habe ich bestimmt noch vergessen.
Oft kommt mir das Einkaufen beim Bikepacken so vor, wie früher, als die Essstörung mein Leben bestimmt hat und es Tage gab, wo ich das zehnfache Einkaufen war, um meine Sucht zu befriedigen.
Denn Bulimie ist die Hölle auf Erden, alles dreht sich nur ums Einkaufen, Fressen und Kotzen. (Sorry für meine Wortwahl aber das ist der einzige Ausdruck welcher passt.)
Sie bestimmt immer mehr dein Leben, bis überhaupt kein Platz mehr für Familie, Freunde, Hobbys oder irgendetwas ist. Vor allem nimmt sie jegliche Lebensfreude, bügelt alles an Gefühlen und Emotionen platt, bis nur noch eine leere Hülle übrig bleibt.
Sie zwingt zum Lügen und Betrügen, treibt in die völlige Isolation. Es gibt auch nicht viel erniedrigenders, wie sich den Finger in den Hals zu stecken und alles wieder in die Kloschüssel zu befördern. Sein Geld würde man besser verbrennen, das würde einen wenigstens körperlich nicht völlig kaputt machen.
Wenn ihr Menschen kennt, die an dieser schrecklichen Krankheit oder einer anderen Essstörung (Magersucht, Bulimie, Binge Eating) leiden, versucht sie vorsichtig, ohne Vorwürfe oder Lösungsvorschläge zu unterbreiten, darauf anzusprechen. Viele wünschen sich nichts mehr, wie endlich darüber zu reden und Hilfe zu bekommen, um aus diesem Teufelskreislauf aus Verheimlichen und Täuschen herauszukommen. Alle Betroffenen schämen sich sehr für ihr “krankes” Verhalten, welches den letzten Rest an kaum noch vorhandenen Selbstbewusstsein, völlig kaputt macht.
Im Internet gibt es ein großes Angebot an Anlaufstellen und Institutionen, wo es möglich ist, Hilfe und Unterstützung zu bekommen. Eine Essstörung ist keine Life Style Diagnose oder irgend so ein Modelkram, sondern eine schwere psychische Erkrankung mit der höchsten Sterberate bei psychischen Erkrankungen.
Ich will aber mal wieder auf meine Bikepackingtour mit Guido zurück kommen, wobei es mir ein großes Anliegen ist, ein bisschen Aufklärungsarbeit im Zusammenhang mit psychischen Krankheiten zu betreiben. Denn obwohl so viele Menschen davon betroffen sind, psychische Erkrankungen in der heutigen Zeit enorm zunehmen oder jeder jemanden kennt, der an irgendeiner psychischen Störung leidet, wird verdammt wenig darüber geredet, wenn wir ehrlich sind!
Es existieren leider auch immer noch viele Vorurteile und skurrile Vorstellungen gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen. Auch was die Themen Therapie, Klinik/Psychiatrie und allem was damit zusammenhängt angeht, stoße ich oft auf große Ahnungslosigkeit oder Berührungsängste.