Löschen und spul zurück!

Samstag: (31.10.2020)

Nachdem ich die ganze Woche in Frankfurt verbracht hatte, weil dort der Besuch eines Lehrgangs anstand, diese beiden Dinge doch recht anstrengend für mich waren, wurde es an diesem Wochenende unbedingt Zeit, mit meinem Fahrrad mal wieder in der Natur aufzubrechen.
Frankfurt ist absolut nicht mein Ding und Best Buddies werden wohl nie, darüber hatte mal einen Blogbeitrag verfasst, welcher einen kleinen Shitstorm an Lokalpatriotismus ausgelöst hat, der absolut nicht meine Absicht war. Leben dort ganz viele liebe Menschen die ich kenne und welche ich sehr mag. Aber Städte im Allgemeinen sind nicht meine bevorzugte Umgebung, wo ich mich gerne aufhalte und meine Zeit verbringe, deshalb sei mir meine Abneigung gegenüber Frankfurt verziehen.
Auch Lehrgänge sind nie so ganz einfach für mich, viele neue Menschen, die “gezwungenermaßen” ihre Zeit miteinander verbringen, dieses nicht wirklich freiwillig, sondern es geht um die Arbeit und sie wurden dorthin geschickt. Diese völlig verschiedenen Menschen müssen sich kennenlernen und daraus bildet sich eine Gruppe. Wie immer bei einer Gruppenbildung, gibt es die dafür typischen Charaktere, Annäherungen aneinander und Abläufe für eine Gruppenbildung. Finde ich immer ganz spannend zu beobachten und wie ich mich darin ein und wiederfinde!
Zu viele neue Menschen, dazu noch so eine riesige Städte, dass kann mir ganz schnell too much werden. Da gerate ich schnell in den totalen Overflow an Eindrücken und Reizen, was für jemanden wie mich, der zu Angst- & Panikattacken neigt und eine gewisse Sozialphobie nicht verneinen kann, schnell zu einer echten Herausforderung. Da gilt es mich gut abzugrenzen, auf mich aufzupassen und schauen das ich mich nicht verliere. Vor allem nicht den Kontakt zu mir und meinen Gefühlen oder auf der anderen Seite, mich von diesen nicht überschwemme und völlig steuern lasse.
Und die Fahrt nach Frankfurt fing schon sehr holprig an, so typisch verpeilt und neben der Welt, wie ich leider manchmal unterwegs bin. Vor lauter Hektik und mich völlig auf alles konzentrieren, war ich eigentlich nur so auf Autopilot unterwegs und am funktionieren. Dies ist auf der anderen Seite auch eine große Fähigkeit und Ressource von mir, um schwierige Situationen durchzustehen und auf die Reihe zu bekommen, da ich trotz völlig innerem Chaos, nach außen alles recht ruhig auf die Reihe bekommen.

Beim Umsteigen in Koblenz ließ ich meinen Koffer im Zug stehen. Dieses fiel mir erst auf, beim Einsteigen in meinen Anschlusszug. Zum Glück war mein erster Zug noch nicht zurück an die Mosel gefahren und ich konnte meinen Koffer noch aus dem Zug holen. Die ganzen Dramen und Folgen, welche es gehabt hätte, wenn mein Koffer schon weg gewesen wäre, möchte ich mir gar nicht ausdenken und konnte ich auch ganz gut wegschieben.
Allerdings war mein Zug nach Frankfurt dadurch natürlich weg und mir blieb nichts anderes übrig, wie den nächsten zu nehmen. In Frankfurt bin ich dann erstmal zu dem falschen Gleis gerannt und schon fast in die falsch S-Bahn eingestiegen, bevor ich das richtige fand und dann aber 20 Minuten wegen irgendeiner Störung warten musste, bis ich endlich weiter fahren konnte.
Durch diese ganze Verkettung unglücklicher und zum Teil auch selbst verschuldeter Umstände, kam ich direkt mal eine halbe Stunde zu spät bei meinem Lehrgang an. Dabei lege ich größten Wert auf Pünktlichkeit, alles zu organisieren und strukturieren, damit mir genau solche Dinge nicht passieren. Ich kann auch schon mal ein bisschen sehr ungehalten werden, wenn dies von anderen Menschen öfters nicht erfüllt wird.
Allerdings laufen Dinge manchmal einfach schief, wie in diesem Fall aus Schusseligkeit von mir, ein anderes Mal kann man gar nichts dafür. Wichtig ist dann einfach ruhig bleiben und wie sagt mein Therapeut: “Atmen Herr Losen”! Versuchen runter zu kommen, wieder ein bisschen mehr bei sich sein, warten bis diese Gefühlswelle wieder abebbt und runter geht. Auch wenn mir dann gar nicht der Kopf danach steht oder es wirklich zur Situation passt, versuchen eine Break einzulegen und immer schön tief atmen.
Dann schauen was sind meine Optionen, welche Möglichkeiten habe ich und anfangen die Situation zu lösen. Finde ich selber keine Lösung, jemanden um Hilfe bitten oder wenn möglich, einfach nochmal von vorne anfangen.

Shit happens, diesen dann radikale akzeptieren und hinter muss ich meist selber schmunzeln, über die Situationen, in welche ich trotz akribischer Planung hineingeraten bin.
Was auch helfen kann, ist einfach mal das Worst-Case-Szenario im Kopf bis zum Ende durch zu spielen. Klingt verrückt, funktioniert aber. Was kann im aller schlimmsten Fall passieren und wäre das dann wirklich so schlimm oder gibt es nicht auch dann Optionen, Möglichkeiten und Lösungen? Dadurch verliert dieses Szenario oder besser gesagt, die Angst, welche sich dahinter verbirgt, dann meistens ganz schnell ihren Schrecken, weil eigentlich völlig unrealistisch und an den Haaren herbeigezogen. Durch diese Einsicht werde ich dann wieder handlungsfähig und gewinne die “Kontrolle” zurück. Lange hat mich immer völlig der Satz meines Therapeuten geärgert: “Ja Herr Loosen, glauben sie das ist wirklich so?” Ich dachte dann immer ganz schnell, der Arsch, nimmt der mich nicht ernst oder kapiert der das nicht worauf ich hinaus will. Mittlerweile habe ich kapiert, er will mich dann darauf aufmerksam machen, dass ich mich wahrscheinlich “etwas” vergaloppiert habe und die ganze Sache nochmal überdenken sollte.
Gerade in stressigen und belastenden Situationen, welche in uns Angst und Panik auslösen, laufen ganz schnell sogenannte automatisierten Gedanken in unserem Kopf ab.
Da bei mir meine Stimmung und mein Denken sowieso schon sehr schnell kippen können, von himmelhochjauzend hin zu tode betrübt, muss ich gerade auf meine automatisierten Gedanken sehr aufpassen. Das geht dann ganz schnell von mein Leben ist völlig ok, hin zu, ich bekomme überhaupt nie etwas auf die Reihe, ich werde alles verlieren, ich lande auf der Straße und springe am besten von der Brücke. So witzig oder absurd sich das jetzt vielleicht anhört, so schnell und noch wesentlich krasser laufen dann meine automatisierten Gedanken ab und so anstrengend ist diese ständige Achterbahn im Kopf. Deshalb ist es wichtig meine automatisierten Gedanken zu kennen, diese dann im besten Fall auszutauschen oder wenigstens abzuschwächen und nicht zu verallgemeinern. Also sowas wie immer und dauernd rausstreichen, sondern es wirklich nur auf die Situation beziehen und aufpassen was diese Gedanken mit mir machen.
Deshalb bin ich sehr froh darüber, viele Strategien und Skills gelernt zu haben, welche mir in solchen Situationen helfen. Damit ich diesen nicht mehr mit destruktiven Dingen wie Bulimie, Selbstverletzen oder anderem begegne und diese damit kompensiere.
In diesem Zusammenhang fällt mir noch ein schönes Zitat ein:

“Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal!”

„Was macht das jetzt mit ihnen?“ ist übrigens auch so ein Therapeutenspruch, den jeder Therapeut im Repertoire hat und ich schon unzählige Male als Frage zu hören bekam. Ein ehemaliger Therapeut von mir unterstützte diese Frage immer, indem er den ausgestreckten Daumen und Zeigefinger, in der Luft hin und her drehte. So hat halt jeder seine Körpersprache!
Aber so platt und einfach wie sich diese Frage anhört, ist sie nicht, sondern äußerst kompliziert zu beantworten! Was lösen bestimmte Situationen, Orte oder vielleicht Gerüche bei mir für Emotionen aus, was machen sie mir, welche Gedanken und Gefühle verknüpfe ich damit und warum?
Es gibt sechs Grundemotionen: Freude, Trauer, Wut, Furcht/Angst, Ekel und Überraschung. Diese nehmen wir bewusst oder unbewusst, durch eine Situation oder ein Ereignis wahr und durch unsere Gedanken werden dann daraus Gefühle, die sehr viel mit uns machen können und das in jede Richtung!
Dies ist aber wieder ein anderes Thema und über meine Radtour, wo ich eigentlich von berichten wollte, habe ich jetzt gar nichts geschrieben. Aber andere Themen beschäftigen mich im Moment mehr und im Vordergrund, deshalb Fahrradfahren wieder beim nächsten Mal.

Sonntag: (01.11.2020)

Was war das gestern für ein traumhafter Tag, nach so einer anstrengenden und zum Teil auch schwierigen Woche für mich, wie ich gestern schon ausführlich berichtet habe. Schon die Zugfahrt zum Startpunkt meiner Graveltour war ein Highlight, weil sich schon der wundervolle, goldene Herbsttag erahnen ließe, welcher vor mir liegen würde. Nachdem der Zug durch den Kaiser Wilhelm Tunnel gefahren war, dieser war über 100 Jahre lang der längste Eisenbahntunnel in Deutschland, ging es in Ediger Eller über die Eisenbahnbrücke und schon vielen die ersten Sonnenstrahlen durch mein Fenster und ich sah den strahlend, blauen Himmel.
Das tat so gut, nach dieser grauen und regnerischen Woche, welche ich in dieser quadratisch, praktischen Stadt verbringen musste. Als es über das Hangviadukt bei Pünderich ging, welches mit seinen vielen Bögen, sehr stilvoll in den Moselhang gebaut wurde, konnte ich einen noch intensiveren und wundervolleren Blick auf das Moseltal, mit seinen im Herbst rot und gelb gefärbten Weinbergen genießen. Allerdings veränderte sich dieser Blick schon wieder völlig, nachdem es durch den Reilerhals Tunnel ging, der Zug sich danach mitten in der Eifel befand und dort das ganze Alftal voller Nebel stand.
Das Wetter und die Temperaturen wurden im Laufe des Tages allerdings immer besser und es gab viele tolle neue Wege und Highlights zu erkunden. Vor allem konnte ich einem weiteren Eifelturm einen Besuch abstatten, um meine Liste zu vervollständigen.
Geplant war ursprünglich wieder mit dem Zug von Wittlich aus nach Hause zu fahren, da das Wetter aber so fantastisch war, hängte ich, nach einer Stärkung in Wittlich, noch ein Stück dran und fuhr von Bullay mit dem Zug nach Hause.

Dagegen stand der heutige Tag wettertechnisch im krassen Gegensatz zu gestern. Ähnlich wie meine schnell wechselnden Stimmungslagen und emotionalen Zustände, verhielt es sich an diesem Wochenende mit dem Wetter.
Heute war es bewölkt, nass und dunkel und überhaupt kein schönes Wetter um auf mein Fahrrad zu steigen. Aber wie auch sonst im Leben, heißt es sich zu überwinden, trotzdem weiter machen und raus gehen. So handhabe ich das auch mit dem Fahrradfahren, weiß ich doch genau, die Bewegung in der Natur, die Ruhe und Stille bringen mich runter, lassen den Alltag und meine Sorgen völlig in den Hintergrund treten und ich bewege mich im Hier & Jetzt. Und wenn ich ganz ehrlich bin, sind es gerade die Ausfahrten bei solchem Wetter, welche wesentlich intensiver sind, weil die Farben satter, der Geruch im Wald durch die Feuchtigkeit viel intensiver und die Freude wieder nach Hause zu kommen, eine heiße Dusche zu nehmen und es sich dann auf der Couch bequem machen, viel größer ist. Die Befriedigung, sich den Elementen gestellt und getrotzt zu haben, ist wesentlich höher und hält viel länger an.
Vor allem ist das Spüren viel intensiver bei solchen Bedingungen und darum geht es bei mir immer ganz viel, denn damit habe und hatte ich oft so meine Probleme. Vor allem meinen Körper zu spüren, diesen nicht nur durch die Körperschemastörung zu sehen und dadurch vor allem negativ wahrzunehmen. Meine körperlichen Grenzen zu spüren, damit ich mich abgrenzen kann und meinen (Sicherheits)Raum habe, damit nicht alles, an Eindrücken und Emotionen, so ungefiltert auf mich einstürzt. Mich zu spüren, dass ich lebendig bin, wenn mal wieder diese totale innere Leere in mir herrscht und sich alles anfühlt wie hinter einer Milchglasscheibe. Die einzige Möglichkeit diesen Zustand zu beenden, früher darin bestand, mich selbst zu verletzten und mir die Arme aufzuschneiden.
Bei diesen Bedingungen, geht es auch um Gegensätze und Abwechslung, alles mal aus einer anderen Perspektive zu sehen und wahrzunehmen. Deshalb sind selbst meine Hausrunden immer wieder spannend und abwechslungsreich, wenn ich diese zu unterschiedlichen Jahreszeiten oder Wetterbedingungen in Angriff nehme und sie ganz unterschiedlich auf mich wirken.
Im Leben ist dies ähnlich, da können andere Bedingungen oder Gegensätze mal eine angenehme Abwechslung darstellen, den Horizont erweitern oder gar Lösungen bringen.
Wobei ich dies in Bezug auf Menschen recht schwierig finde, diese unterschiedlich wahrzunehmen und zu empfinden. Dabei ist es völlig normal, dass man mal lieb & nett ist, ein anderes mal kurz angebunden oder gestresst, niemand ist immer gleich oder linear, jeder hat seine Tagesformen oder wird von anderen Dingen beeinflusst. Ich selber bin da das beste Beispiel, fühle ich mich oft eher wie ein Gummiball, zwischen den Extremen am hüpfen ist.
Allerdings verschiedene Gefühle zu ein und demselben “Thema” zu haben, finde ich auch heute noch ziemlich schwierig. Vor allem wenn diese zur selben Zeit auftreten und womöglich noch ambivalent sind, kann es kompliziert werden.
Darüber hinaus bin ich ein recht emphatischer Mensch, welcher auch noch ziemlich sensibel ist, auch wenn das im Außen oft nicht so wirkt. Zwischentöne und Nuancen bekomme ich immer ziemlich gut mit und diese ganze Mischung ergibt dann öfter ein ziemlich kompliziertes und überfordertes Gefühlsleben in mir.
Was ich aber mittlerweile sehr genau weiß ist, das kein Gefühl ewig anhält und ich vor allem irgendwann wieder anders fühlen werde. Früher gab es nur das eine Gefühl in mir, ich war sozusagen das Gefühl. Da gab es auch nicht die Vorstellung, dass sich dies wieder ändern könnte und würde. Ging es mir schlecht, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es mir jeweils wieder gut gehen würde. Andersherum funktionierte dieser Mechanismus genauso, war ich oben auf, wusste ich gar nicht mehr, dass es mir auch schlecht gehen kann oder wie ich dorthin kommen könnte. Himmelhochjauchzend oder zu tode betrübt, es gab nur Schwarz oder Weiß, dazwischen eigentlich nichts!
Wobei ich mich beim schwarz, weiß Denken, auch heute noch oft erwische, wobei dies eigentlich gut ist oder ein Zeichen dafür, dass ich Achtsam war, Dinge richtig hinterfragt oder wahrgenommen habe. Wichtig ist es dann dieses Denken wieder zurück zu fahren und zu relativieren.
Schwierig wird es, wenn ich genau weiß oder sehe, dass tut mir nicht gut, ist der falsche Weg oder nicht angebracht und schaffe es nicht, anders damit umzugehen oder zu lösen. Da gibt es noch so ein, zwei Baustellen, wo ich echt weiter an mir arbeiten muss, dies hat mir gerade die letzte Zeit wieder gezeigt. Gerade bei zwischenmenschlichen Dingen und Gefühlen, vor allem wenn mir Menschen viel bedeuten, läuft noch ziemlich oft mein altes Programm und die dazugehörigen Verhaltensweisen ab. Auch bei solchen Themen wie Selbstwert, Selbstliebe und Selbstvertrauen klaffen noch ein paar Lücken!
Wenn eins gewiss ist, es wird spannend bleiben und die Themen, um darüber zu schreiben, werden mir wohl auch nicht so schnell ausgehen.
Wünsche euch noch einen schönen Sonntagabend und einen guten Start in die neue Woche!

„Es ist das, was du daraus machst“

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