Nachdem ich dann fast ein dreiviertel Jahr krankgeschrieben war, versuchte ich wieder in meinem alten Job zurück zu kehren. Denn mein Beruf und die reine Tätigkeit fand und finde ich super und entspricht in vielen Punkten meinen Interessen und Begabungen. Allerdings war diese Rückkehr erfolglos, innerhalb eines halben Jahres stand wieder an genau denselben Punkt, ich verlor Gewicht, verletzte mich wieder selbst und meine Angst- & Panikattacken waren so schlimm wie nie zuvor. Es gab Tage, da konnte ich kaum mein Schlafzimmer verlassen und mein Haus verließ ich dieser völlig akuten Zeit für fast zwei Wochen nicht.
Zum Glück halfen mir eine sehr gute Freundin und mein Arzt dabei, innerhalb kürzester Zeit einen Klinikplatz zu bekommen, sie fuhr mich sogar hin, weil selbst zum Autofahren war ich nicht mehr in der Lage.
Da war ich mal wieder an einem ziemlichen Tiefpunkt in meinem Leben angekommen, wo gar nichts mehr ging. Die erste Zeit war sehr hart in der Klinik, denn ich musste überhaupt mal wieder zu mir kommen, ich war so in meiner Angst und Panik gefangen, dass ich kaum in der Lage war zu denken. Mich und meine Gefühle wahrzunehmen, überhaupt halbwegs die Welt mitzubekommen war kaum noch möglich, weil ich so panisch und zum Teil auch paranoid war. War die Angst mal nicht so stark, verfiel ich in die völlig Depression, Leere, Sinnlosigkeit und Abwertung. Es war eine wirklich schlimme Zeit!
Allerdings musste es irgendwann weiter gehen, es wurde Zeit mir einiges einzugestehen und vor allem anzufangen, Dinge zu verändern. Das hört sich jetzt so locker flockig an, war es aber nicht, es war ein langer und schwieriger Prozess und bin ich heute noch froh über die ganze Unterstützung der Therapeuten und dem Klinikpersonal so was von dankbar.
Mir einzugestehen, dass ich meinen Job einfach nicht mehr schaffe, weil er mich mittlerweile völlig überfordert, ich ständig über meine Grenzen gehen muss, um diesen zu bewältigen, war eine harte Erkenntnis. Aber solche Dinge wie Bereitschaft, Wochenenddienste, Nachtschichten und diese durch den Job oft bedingte mangelnde Struktur, gingen einfach nicht mehr für mich und hatten mich innerhalb von zwei Jahren, zweimal wieder in eine psychosomatische Klinik gebracht.
Also fing ich an, mir nach 20 Jahren in meinem Beruf einen neuen Arbeitsplatz bei meinem Unternehmen zu suchen. Und auch hier bin ich wieder sehr dankbar, mein Arbeitgeber ließ mich nicht fallen, sondern ich bekam auch da viel Hilfe und Unterstützung und fand eine neue Arbeitsstelle, welche ich dann drei Monate später antrat.
Klar, der Anfang war alles andere wie leicht, ein neuer Chef, der mich überhaupt nicht kannte, jede Menge neuer Arbeitskollegen, im Büro arbeiten und nicht mehr draußen, neue Abläufe und Strukturen. Mittlerweile arbeite ich dort schon fast zwei Jahre, fühle mich sehr wohl, die Arbeit macht mir Spaß, war keinen Tag krank und kann mir absolut nicht vorstellen, wieder in meinen alten Job zurück zu kehren.
Auch sonst hat sich seitdem viel verändert in meinem Leben, ich habe den Eifel Graveller ins Leben gerufen, habe eine große Internetseite aufgebaut, ohne vorher je eine Seite gestaltet zu haben bin einen eigenen Blog am schreiben auf dem ich sehr ehrlich über mich und mein Leben berichte, bin viel unterwegs und unternehme ganz viele tolle Dinge. Gerade durch das Bikepacken und meinen Event habe ich so viele interessante und tolle Menschen kennengelernt, es ist total verrückt was sich aus dieser Idee entwickelt hat.
Denn auch das ist typisch in einer Krise, die Erfolge und das Erreichte sieht man nicht und nimmt es gar nicht mehr wahr. Im Gegenteil, man geht völlig hart mit sich ins Gericht, verurteilt sich dafür, dass es einem wieder schlecht geht, es kommt einem so vor, als drehe man sich nur im Kreis und ständig grüßt das Murmeltier. Im schlimmsten Fall macht man dann wieder alles kaputt, was man sich zuvor mühevoll aufgebaut hat.
Auch hier benötigte ich wohl erst den Denkanstoß einer Freundin, die mir sagte: “Ich glaube du bist schon ein gutes Stück angekommen, du siehst es nur im Moment nicht so gut”.
Und da hatte sie recht, denn auch mal das Geleistete sehen und anerkennen, den Weg, der hinter einem liegt und vor allem auch mal ein bisschen stolz darauf und auf sich sein, dies sollten wir öfter tun.
Genauso oft habe ich den Eindruck, wenn es mir nicht besonders gut geht, dass irgendwie nur die destruktiven und ungesunden Symptome weg therapiert wurden, mir es aber noch oft genauso scheiße geht wie früher, nur das solche Dinge wie Fressen & Kotzen, sich den Arm aufschneiden, tabu sind und nicht mehr wirklich funktionieren, weil ich mir genau über die Folge bewusst bin und wo es hinführt. Wahrscheinlich gehe ich auch hiermit zu hart mit mir ins Gericht, wende ich doch ganz viele alternative Strategien an, um möglichst erst gar nicht in so einen emotionalen Druck zu geraten oder wenn es wirklich passiert, wende ich andere Dinge an, sogenannte Skills oder bilde Skillketten. Über dieses Thema, wie man sich emotional runterregulieren kann, werde ich auch mal etwas schreiben, weil diese Techniken oder übersetzt Kompetenzen, kann jeder einsetzen und wendet sie wahrscheinlich unterbewusst auch oft an.
So schlecht wie ich während der Krise dachte, bekomme ich mein Leben und selbst Krisen gar nicht auf die Reihe, trotzdem ist es wichtig sich ab und zu mal mit dieser Frage zu beschäftigen, wobei der Augenmerk dann doch mehr auf den Verbesserungen liegen sollte und was ich noch weiter erreichen will. Denn bei ein paar Dingen ist noch Luft nach oben!
Beim Essen bin ich noch immer recht eindimensional, was die Wahl und Menge der Lebensmittel angeht, auch von meinem geplanten Essen und den Zeiten abweichen, macht mich schnell nervös. Einkaufen ist so ein Kapitel für sich, über das ich hier auch schon mal geschrieben habe.
Auch nicht so “isoliert” leben und oft so zurückgezogen, was persönliche Kontakte und damit Nähe angeht, werde ich dran arbeiten müssen. Sich ein bisschen mehr im Real Life begegnen und nicht auf irgendwelchen Plattformen, wobei dies zur Zeit bedingt durch Corona, eigentlich die beste Form der Kommunikation darstellt.
Vielleicht auch nochmal eine Beziehung eingehen und führen, ein Wunsch, welcher sich in letzter Zeit öfter in meinem Kopf einschleicht, den ich die letzten Jahre in die unterste Schublade verbannt hatte und erst gar nicht zugelassen habe, weil ich einfach nicht stabil genug und fähig dazu war.
Für heute reicht das mal an Gedanken von meiner Seite, wobei ich heute eigentlich vor hatte über ein ganz anderes Thema zu schreiben aber dies ein anderes Mal!
2 Comments
Wolfgang
Hallo Holger,
es ist schon eine Menge, mit der du dich hier beschäftigst. Und ich finde es bewunderswert, was du alles leistest. Allein schon den Job zu wechseln, auch wenn die Firma die selbe bleibt, würde meine Belastbarkeit momentan sicher übersteigen. Noch baue ich darauf, mein Job auf 30 Stunden die Woche reduzieren zu können. Das wird sich im ersten Drittel des nächsten Jahres entscheiden. Wenn das nicht klappt, werde ich wohl auf kurz über lang im vorzeitigen Ruhestand landen. Aber darüber mache ich mir erst ein Kopf, wenn es soweit ist.
Auch ein Blog erstellen, eine Webseite zu füttern, traue ich mir momentan nicht zu bzw. schaffe es einfach nicht, obwohl ich da was im Kopf habe und das Ziel auch erreichen will. Auch in Kur will ich nächstes Jahr, natürlich auch mit dem Bike, darauf kann ich nicht mehr verzichten. Auch wenn ich momentan nur sehr wenig dazu komme und mir Regen und Matsch oft ein strich durch die Rechnung machen. Ich weiß, es gibt ein schlechtes Wetter, es gibt nur ….
Aber dir brauche ich nichts zu sagen, wie leicht man eine Ausrede findet. Ich will auch unbedingt wieder aufs Bike, weil es mir fehlt und ich muss einfach mal ein „großes Ding“ machen. Einmal eine Tour über mehrere Tage. So was habe ich noch nie gemacht und einmal ist immer das erste mal. Mich reizt das von Jahr zu Jahr mehr.
Halte die Ohren steif und Melde dich, wenn du jemand brauchst
Freundlichst Wolfgang
Holger Loosen
Danke für deine Worte!
Für vieles habe ich allerdings Jahre benötigt, um dorthin zu kommen. Es ist ganz wichtig, geduldig mit sich selber zu sein, sich Zeit zu lassen und sich auch mal zu vergeben.
„Heilung“ ist ein langer Prozess von kleinen Schritten und Erkenntnissen, es gibt nicht die eine entscheidende Szene, sowas gibt es nur in Filmen oder Büchern, im richtigen Leben ist es ein langer Weg!
LG
Holger