Eine andere Sache, warum ich wohl nicht gerne Menschen von früher treffe ist, dass ich fast immer denke, die andere Person will dich ja sowieso nicht mehr sehen oder mag dich ja doch nicht mehr. Wenn dem nicht so wäre, hätte sie sich ja zwischendurch mal gemeldet oder ihr hättet erst gar nicht den Kontakt verloren. Dieses Denken ist ziemlich hinderlich und entbehrt oft jeglicher Grundlage, steckt aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund, sehr tief in mir drin. Dabei ist diese Befürchtung von mir oft absoluter Quatsch, oft freuen sich die Menschen sogar, wenn man sich nochmal zufällig über die Füße läuft.
Mit Menschen regelmäßig Kontakt zu haben, zu merken dass sie immer noch da sind und wir eine Basis haben, ist unheimlich wichtig für mich. Ansonsten verliere ich völlig schnell die Verbindung, das Vertrauen und den Halt in diese Person. Mangelnde Objektkonstanz nennt man das.
Dabei ist es dann absolut nicht so, dass ich die Person nicht mehr mag oder sie mir nichts bedeutet, ganz im Gegenteil, ich vermisse diese sogar sehr oft und denke viel an sie. Aber durch die zeitliche Distanz bekomme ich ganz schnell das Gefühl, Zuviel gewesen zu sein, etwas falsch gemacht zu haben und dass sich die Person deshalb von mir distanziert hat.
Dabei ist das in 98% der Fälle nicht der Fall und entspringt nur meinem komischen automatisierten Gedanken. Oft sind Menschen einfach nur mit anderen Dingen beschäftigt, haben keine Zeit, sind familiär und beruflich sehr eingespannt oder weiß der Geier was.
Mir geht das ja andersherum genauso, wie oft bin ich beschäftigt, habe Stress oder drehe mich in meiner Welt und denke: “Du könntest dich auch ja nochmal melden!” und ehe ich mich versehe, ist wieder eine Woche oder ein Monat rum. Dabei tut mir gerade was Freundschaften angeht, eine gewisse Regelmäßigkeit und Struktur sehr gut. Dies trifft allerdings auf so ziemlich jeden Lebensbereich bei mir zu, Struktur, feste Abläufe, Ordnung und Rituale, sind super für meinen Kopf, mein innere Chaos und geben mir Halt und Sicherheit, um es nicht Kontrolle zu nennen.
In diesen Zusammenhang passt auch gut der Einklang von meiner “inneren” und “äußeren Welt” und ich komme mal wieder auf das Thema zurück, mit welchem ich oben angefangen habe.
Nur wenn ich möglichst authentisch bin, meiner Umgebung zeige und vor allem artikuliere, wie es mir geht, was mich beschäftigt und auch was ich gerne möchte, kann diese mich verstehen und entsprechend reagieren.
Nach außen eine Fassade aufzubauen, den Schein zu wahren, hilft da nicht weiter, sondern verschlimmert das Problem nur. Früher dachte ich oft, warum sehen andere nicht, wie schlecht es mir geht oder das ich Hilfe benötige und zum größten Teil lag es daran, dass ich es gar nicht gezeigt oder besser noch geäußert habe, sondern verharmlost, abgewickelt oder gelogen habe. Sicherlich, in Zeiten wo ich völlig abgemagert war, war es nicht mehr zu übersehen, dass es etwas nicht stimmte. Aber viele andere Symptome verstehen andere Menschen einfach nicht, vielleicht wollen sie es auch gar nicht sehen, sind unsicher oder haben Angst. Dabei haben ganz viele Verhaltensweisen bei psychischen Erkrankungen ihre Berechtigung und einen Sinn, es ist die Antwort/Reaktion der “Seele”, um mit irgendeiner Störung, Belastung oder Fehlfunktion klar zu kommen. Bei näherer Betrachtung sind diese meist auch nachvollziehbar, einleuchtend und “logisch”.
Allerdings wenn jemand selber nicht weiß, was bei ihm los und wieso, wird es schwer nach außen zu zeigen, wie es einem geht oder dies gar zu kommunizieren. Das Schlimme ist, reagiert die Umgebung mit Unverständnis oder sieht die Not nicht, zieht sich der Betroffene immer mehr zurück. Es entsteht ein Teufelskreis, bei dem sich die Symptome immer mehr verstärken, sich der Betroffene aber immer mehr zurückzieht, weil seine Erwartungen und Hoffnungen völlig enttäuscht werden, weil das Umfeld es nicht versteht oder richtig einschätzt.
Genauso oft, wie ich mir gewünscht habe, jemand sieht dass es mir nicht gut geht und wie schlecht ich mein Leben auf die Reihe bekomme, so oft habe ich dieses selber verdrängt. Wollte selber nicht wahrhaben, was los ist, dass ich psychisch krank bin, durfte es nicht geben. Oft habe ich es verleugnet und versteckt, um irgendwie zu funktionieren. Gerade in Bezug auf die Essstörung auch einfach oft gelogen, dieses ist ein Aspekt, der mit jeder Sucht einhergeht. Aber gerade der Verlust meiner Ehrlichkeit, auch wenn ein Schutzmechanismus war, mir half durchzuhalten und einfach die Krankheit war, finde ich heute noch sehr schlimm, macht mir Angst und mich traurig. Es ist kaum vorstellbar, zu was man alles fähig ist oder tun würde, um seine Sucht zu befriedigen, wie weit man sinken kann, gerade wenn es um das Thema Bulimie geht.
Auch hier lagen meine “innere” und “äußere Welt” wieder völlig auseinander, Anspruch und Wirklichkeit, denn gerade Ehrlichkeit ist meiner wichtigsten Werte.
Heute versuche ich durch die Betrachtung von außen, einzuschätzen ob mein inneres und äußeres im Einklang stehen oder versuche es über diesen Weg wieder herzustellen. Ich schaue, ob das andere auch so sehen würden, wenn ich es ihnen erzählen oder wie diese reagieren, wenn sie sich in ähnlichen Situationen befinden. Auch kommt mir dann schnell der Satz meines Therapeuten in den Kopf, der mich dann fragt: “Ja Herr Lossen, glauben sie das ist wirklich so?” und dann weiß, ich dass ich mich ein bisschen vergaloppiert und über das Ziel hinaus geschossen bin.
In diesem Zusammenhang meinen Anspruch und meinen Perfektionismus zu überprüfen, kann helfen die Situation aufzulösen. Auch nicht immer so hart mit sich selber ins Gericht zu gehen, sich nicht direkt verurteilen und abwerten, sondern einfach die Situation radikal akzeptieren.
2 Comments
Wolfgang Wiesen
Hallo,
da hast du / habt ihr tolle Wege unter die Räder genommen. Das Wetter scheint ja trotz Kälte (ich mag gefrorene Böden beim Biken) sehr gut gewesen zu sein. Die ganzen Gefühle und Begebenheiten bis hin zu den Beerdigungen kenne ich nur zu gut. Vor vielen Jahren ist mein bester und langjähriger Freund plötzlich verstorben und das war ein schwerer und schlimmer Schlag für mich, da ich auch die gesamte Familie gut kenne. Es gibt heute immer mal wieder Momente, die ich gern mit ihm erleben würde, mich austauschen und diskutieren. Das wird leider nie mehr der Fall sein.
Glücklicherweise habe ich gerade in letzter Zeit Freunde dazu gewonnen, was gut tut und über schwerde Zeiten hilft. Gibt es diese Touren eigentlich irgendwo als GPS Track zum herunterladen? Würde mich freuen, denn so was würde ich gern im Frühling mal nachfahren. Dann kann ich das Erlebte noch besser nachvollziehen.
Danke für deine Worte in dem Blog. Alles sehr aufrichtig und ehrlich. Wo findet man so was noch? Und ich hoffe es hilft dir, wenn du weiß, da sind Menschen die nehemen Anteil, sind auch betroffen und lesen deine Berichte und sehen deine Bilder gern.
Herzlichst Wolfgang
Holger Loosen
Hallo Wolfgang,
es freut mich sehr, dass dir mein Blog gefällt und du meine Berichte liest. Danke!
Die GPX Track vom Eifel Graveller findest du alle hier auf der der Seite unter Downloads. Meine gefahrenen Touren findest du bei Strava (Holger Loosen) oder bei Komoot (Eifel Graveller), ansonsten kannst du mich hier unter Kontakt anschreiben und ich lasse dir die Tracks zukommen, welche du haben möchtest.
LG
Holger