Mein Start ins neue Jahr!

Samstag: (09.01.2021)

Die erste Woche nach dem Urlaub wieder arbeiten gehen, finde ich nie so einfach und entsprechend anstrengend war diese für mich.
Wenn sich meine Struktur und meine Abläufe ändern, komme ich schnell ins Schwimmen und brauche Zeit um mich wieder einzugewöhnen. Ein bisschen habe ich dann das Gefühl, ich fange neu oder von vorne an, wobei das totaler Blödsinn ist, da ich den Job schon lange ausübe und ja auch nur zwei Wochen weg war. Trotzdem herrscht in mir eine Unsicherheit und Unruhe, wenn ich länger weg war. Was ist in der Zwischenzeit alles passiert, wie ist der Stand bei meinen Projekten, wo bin ich stehen geblieben und was sollte ich als Erstes wieder vorantreiben und ans Laufen bringen.
Mit Menschen, welche ich lange nicht gesehen habe, geht mir das ähnlich. Da bin ich auch immer ziemlich nervös bis panisch, wenn länger kein Kontakt bestanden hat, wir uns wieder treffen oder schreiben.
Diese Dinge haben mich sehr beschäftigt in der letzten Woche, warum macht mich das so nervös und unruhig, bringt mich so schnell ins Schleudern und in eine Überforderung.

Wie so oft hat mir heute das Radfahren sehr dabei geholfen, da mal etwas Klarheit hineinzubekommen, wieder mehr bei mir zu sein und von dieser schrecklichen inneren Unruhe etwas herunterzukommen.
Dabei sah es heute Morgen gar nicht nach einem schönen Fahrradtag aus und ich musste mich ziemlich überwinden, bis ich auf meinem MTB saß. Das kennt ihr bestimmt auch, es dauert ewig bis die Sachen zusammen gesucht sind, das Fahrrad startklar und alles gepackt ist. So eine Art Verzögerungstaktik, weil man hofft doch einen Grund zu finden, lieber zu Hause zu bleiben oder etwas anderes zu unternehmen. Dies ist dann immer ein ziemliches Dilemma für mich, höre ich auch meinen Kopf, der sagt, heute fährst du Fahrrad oder auf mein Gefühl, welches nicht in die Nässe und Kälte will.
Eigentlich sollte man ja eher auf sein Gefühl und seinen Bauch hören, so wird das bei jeder Therapie gepredigt. Dieses hört sich in der Theorie auch immer alles ganz toll und schlüssig an, bloß würde ich damit meistens nicht weit kommen, weil dann fast immer der innere Schweinehund gewinnen würde.
Vor allem tun mir Dinge, auf welche ich eigentlich keinen großen Bock und Lust zu habe, am Ende fast immer ziemlich gut, wie ich aus Erfahrung weiß. Bloß handele ich, um dort hinzukommen, oft gegen meine Gefühle und richte mich, nachdem was mein Kopf mir sagt. Da muss ich dann immer an die Karte denken, welche bei meinem Therapeuten auf dem Tisch liegt: “Glaube nicht alles was du denkst!” Dieser Spruch liegt seit einiger Zeit auf dem kleinen Tisch, welcher zwischen den beiden Sesseln steht, auf denen wir sitzen. Dass es beim Therapeuten eine Couch gibt, ist so ein Fernseh- und Hollywood Ding. Ich war bestimmt schon bei 15 Therapeuten und in noch mehr Therapieräumen aber bis jetzt gab es nie eine Couch! Zu liegen und mich nicht auf Augenhöhe zu unterhalten, wäre allerdings auch absolut nicht mein Ding und nicht vorstellbar für mich.
Aber diese Karte, welche auf diesem kleinen Tischchen liegt, beschäftigt mich schon länger. Liegt die dort extra für mich, soll sie mir etwas Bestimmtes sagen oder liegt die einfach nur so da rum, weil mein Therapeut den Spruch gut findet. Keine Ahnung warum ich bis jetzt noch nicht nachgefragt habe, was es mit der Karte auf sich hat aber bei meinem nächsten Termin, werde ich das machen und euch davon berichten.
Zurück zu dieser Ambivalenz, was mein Kopf mir sagt und was der Bauch will. Dieses Paradoxon werde ich wohl nie ganz gelöst bekommen, allerdings weiß ich mittlerweile, dass dies jeder hat. Früher dachte ich immer, das geht nur mir so das ich oft nicht weiß oder bemerke, was ich möchte, wie es mir geht oder was am besten für mich ist. Damit hat jeder Mensch seine Probleme und keiner ist darin perfekt, alle seine Gefühlsregungen zu deuten und sich danach zu richten, dass weiß ich mittlerweile und es beruhigt mich ein bisschen. Sicherlich ist bei mir der übliche F60.31 Zuschlag dabei, der bedeutet, das ich die meisten Emotionen mal zehn multiplizieren kann, im Vergleich zu “normalen” Menschen.
Zu wissen, ich bin nicht alleine, hat mir auch damals sehr geholfen, dass ich mit meinem Gefühlschaos und meinen kaum zu kontrollierenden Emotionen nicht alleine bin, es eine Ursache und eine Diagnose dafür gibt. Bis zu diesem Tag hatte ich noch nie von dieser psychischen Krankheit gehört und wusste erst einmal gar nichts damit anzufangen. Aber das Kind hatte mal einen Namen, es gab einen Ansatzpunkt und vielleicht auch die Chance auf Heilung oder zumindest Besserung, denn so wirklich heilbar ist diese Diagnose nicht aber man kann lernen, ziemlich gut damit zu leben.
Diese Diagnose “emotional instabile Persönlichkeitsstörung” oder “Borderline” war allerdings auch ein ziemlicher Stempel, welchen ich verpasst bekommen hatte, wobei ich weder die eine noch die andere Bezeichnung mag. Es gibt einfach viel zu viele Vorurteile über Borderline und Schubladen wo man automatisch hineingesteckt wird. Auch unter Profis sind diese Patienten nicht wirklich beliebt, weil sie schwierig zu therapieren sind, eine hohe Rate beim Abbrechen der Therapie haben, fast immer eine Komorbidität vorhanden ist und die Behandlung sehr langwierig ist. Wobei ich zugeben muss, alle diese Aspekte habe ich völlig erfüllt und bestätigt, gerade bei meinen ersten Klinikaufenthalten und Therapien.
Auch heute ertappe ich mich noch oft bei den typischen Borderline Strategien und Verhaltensweisen, gerade wenn es um Nähe & Distanz geht, vor allem wenn mir Menschen viel bedeuten.Dabei sind viele Borderliner unheimlich emphatisch und einfühlsam, sind sehr kreative und intelligente Menschen. Deshalb sind wohl auch so viele Künstler und Schauspieler unter den Betroffenen. Wohl auch fast alle Musiker aus dem Club der 27iger, dies ist allerdings ein anderes interessantes Thema.

Am Anfang war es eine riesen Erleichterung, dass es für dieses Durcheinander einen Namen gab und auch spezielle Therapien. Mich allerdings von dieser Diagnose zu lösen und zu erkennen, ich bin mehr wie diese Diagnose und habe vieles davon schon hinter mir gelassen, hat sehr lange gedauert. Was bin ich, was ist die Krankheit oder ist das alles ein und dasselbe, ist auch heute noch, gerade wenn es mir nicht so gut geht, oft schwierig zu differenzieren für mich. Diese Diagnose ist Fluch und Segen zugleich und vor allem auch heute noch nicht wirklich einfach für mich darüber zu reden oder offen damit umzugehen und zu dieser zu stehen.
Zum einen ist diese Erkrankung so komplex und vielschichtig, vor allem äußert sie sich bei jedem Betroffenen anders und ganz individuell. Klar gibt es feste Kriterien für diese Diagnose, von denen auch eine bestimmte Anzahl erfüllt sein muss aber auch hier ist jeder Jeck anders. Vor allem ist es so schwer zu erklären, was bei einem los ist oder warum manches so passiert, weil es so um die ganz normalen Emotionen geht, welche jeder kennt und empfindet. Es ist ganz schwierig den Punkt zu finden, wo hole ich andere Menschen ab, wenn ich von dieser Diagnose erzähle, ohne sie völlig zu verwirren oder den Eindruck eines völligen Psychos zu vermitteln. Viele Aspekte und Verhaltensweisen verstehe ich selbst oft nicht, vor allem wenn es mir gut geht und die Krankheit nicht so akut ist.
Auch die oben schon erwähnten Stempel und Vorurteile machen es Betroffenen nicht wirklich einfach zu dieser Krankheit zu stehen und der schlechte Ruf, der dieser Diagnose anhaftet schon mal gar nicht. Zu diesem Thema habe ich auch meine Erfahrungen und Geschichten, von denen viele sehr weh getan und sich eingebrannt haben.
Meine größte Angst ist, dass nur der Borderliner gesehen wird und meine ganze Person darauf reduziert wird. Das jede meiner Verhaltensweisen und Reaktionen unter diesem Aspekt gesehen und gewertet wird. Denn gegen dieses Argument kann ich nicht an, möchte ich eigentlich auch gar nicht, weil es völlig unfair ist und mich zur Rechtfertigung drängt, was in meinen Augen schon an Diskriminierung grenzt.
Denn auch dieses habe ich erfahren, das, wenn es keine Argumente mehr gab, wurde ich einfach auf den schwierigen Borderliner reduziert.
Jetzt bin völlig vom Thema abgekommen, wollte ich doch eigentlich über die letzte Woche schreiben, warum diese so kompliziert war und meine Erkenntnisse aus dieser. Vielleicht werde ich dies Morgen machen, soll es doch Morgen nochmal mit dem MTB in den Schnee und die Eifel gehen.
Heute bin ich hier in meinen Heimatgefilden geblieben, nach weit weg stand mir nicht der Kopf, lieber nach vertrauten Wegen, etwas gewohnten, welches Sicherheit gibt und Vertrauen vermittelt. Auch sowas muss von Zeit zu Zeit sein und hat mir heute sehr gutgetan. Vor allem schien heute, nach gefühlten Wochen ohne, nochmal ein wenig die Sonne und es tat so gut!
Passt auf euch auf in dieser dunklen und kalten Zeit, die durch den Corona-Lockdown alles andere als leichter gemacht wird!

Sonntag: (10.04.2021)

Heute war nochmal Mountainbiken im Schnee angesagt, da es diesen an der Mosel eigentlich nie gibt, gilt es die Chance zu nutzen, wenn mal welcher in der Eifel liegt. Meine Wahl des Tracks fiel auf eine Runde durch das Üßbachtal mit Start in Ulmen, da der Schnee nicht so hoch sein sollte, damit er noch fahrbar ist. Am vergangenen Wochenende, kurz vor dem Ernstberg ging nichts mehr und ich musste auf die Straße ausweichen, das wollte ich heute verhindern.
Wobei es mir dann ehrlich gesagt, doch ein bisschen wenig Schnee war und ich hatte auf mehr gehofft. Dies ist aber meckern auf hohem Niveau, wobei während der Fahrt noch genug Probleme auftraten!
Auch wollte ich nicht so weit in die Eifel hineinfahren, sondern im Umkreis bleiben, da die Eifel am vergangenen Wochenende ziemlich überlaufen war und von viel zu vielen Menschen bevölkert wurde. Völlig überfüllte Straßen und Parkplätze, vom Einhalten der Corona Regeln ganz zu schweigen. Viele haben anscheinend immer noch nicht den Knall gehört!
Diesem ganzen Rummel wollte ich unbedingt aus dem Weg gehen, sollte an diesem Wochenende auch wesentlich mehr in der Eifel kontrolliert werden, damit sich das letzte Wochenende nicht wiederholt.

Auch die Ulmen-Pulvermaar Verbindung vom Eifel Graveller ließ sich dadurch nochmal scouten, bei der es immer noch zwei Stellen gibt, welche mir nicht gefallen, bei denen es aber keine Alternativroute zu geben scheint, obwohl ich dort schon unzählige Varianten ausprobiert habe.
Wie oben schon erwähnt gab es am Anfang nicht wirklich viel Schnee, dafür umso mehr Matsch. Zum Glück hatte ich mein Fahrrad gestern nicht geputzt, sondern nur ein bisschen Öl auf die Kette gemacht und meine Matschklamotten in der Garage zum Trocknen aufgehangen. Diese heute ein bisschen ausgeschüttelt, sodass der gröbste Dreck weg war und nochmal angezogen. Nach ein paar Kilometern hätte ich sowieso wieder so ausgesehen wie gestern, aber die Tour das Einsauen mehr als wert. Wobei das Fahren im Matsch schon richtig Spaß macht, muss ich zugeben!
Es war eine tolle Tour durch das wunderbare Üßbachtal, vorbei am Immerather und dem Pulvermaar. Herrliche Luft, ganz viel Stille im Wald und ich habe wunderbar den Kopf freibekommen.
Leider verabschiedete sich irgendwann mein Handy, allerdings hatte ich das falsche Kabel eingesteckt, sodass nichts mit aufladen war. Ärgerlich, denn gerade als sich das Handy abschaltete, kam ein wenig die Sonne raus, sofort war alles viel schöner und meine Laune stieg schlagartig. Allerdings ein Foto habe ich heute nicht davon für euch!
Lange hielt meine gute Laune allerdings nicht an, da sich meine Schaltung verabschiedete und ich nur noch einen Gang zur Verfügung hatte. Wahrscheinlich ist der Schaltzug an der Schaltung durchgerutscht, allerdings hatte ich bei dieser Kälte keinen Bock auf Schrauben. Der Inbusschlüssel wäre bestimmt an meinen Fingern festgefroren. Also ab auf die Straße und dort die restlichen Kilometer zurückgelegt. Wobei nur mit dem 8. Gang war das auch keine wirkliche Freude und bergauf hatte ich fett zu treten. Keine Ahnung wie Menschen sich das freiwillig antun können und mit einem Singlespeed durch die Gegend fahren, wobei da kann die Schaltung nicht kaputtgehen.

Deshalb war ich doch recht erleichtert, nachdem ich endlich wieder Ulmen erreicht hatte und mein Fahrrad verladen konnte. Vor allem die Heizung voll aufzudrehen in meinem Bus war ein Traum, denn die Temperaturen in der Eifel lagen unter null Grad und irgendwann wurde es ungemütlich.
Trotz allem waren es zwei schöne Touren an diesem Wochenende, welche mir unheimlich gutgetan haben und so langsam wächst auch schon die Vorfreude auf die erste Bikepackingtour für dieses Jahr, in zwei Monaten sollte es wieder losgehen.
Bis dahin muss ich noch mit dem Winter, den kalten Temperaturen und der vielen Dunkelheit klar kommen. Vor allem setzt mir der zweite Corona Lockdown so langsam ganz schön zu und geht an meine Substanz. Aber auch dieses ist nicht zu ändern und wohl nur mit radikaler Akzeptanz zu ertragen!
Deshalb passt gut auf euch auf und einen schönen Start in die neue Woche!

„Es ist das, was du daraus machst“

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