Vieles davon wurde mir an diesem Wochenende sehr vor Augen geführt und dadurch wieder bewusst. Denn ehrlich gesagt stand mir der Kopf nicht sehr nach alleine sein und auch nicht nach Fahrradfahren. Die letzten Wochenenden, so schön und erfüllend sie auch waren, körperlich gesehen waren sie hammerhart und bin ich ziemlich platt. Gerade mir körperliche Schwäche einzugestehen, ist alles andere wie einfach für mich. Habe ich doch jahrelang versucht meinen Körper durch die Essstörung zu kontrollieren, ihn am besten gar nicht wahrzunehmen und durch meinen Kopf zu bestimmen.
Diesen „Kampf“ zwischen dem, was mein Kopf mir sagt und was mir mein Körper mitteilen möchte, ist immer noch recht heftig und die Kompromissfindung nicht immer einfach. Noch viel zu oft sind da solche Gedanken wie ich darf nicht faul sein, ich muss etwas leisten, damit ich eine Berechtigung auf Anerkennung und Zuwendung habe. Dass ich sonst fett werde, die Kontrolle verliere und nichts wert bin.
Diese ganz typischen Gedankenspiralen, womit sich Essgestörte den ganzen Tag mit auseinandersetzen und die ihr Leben bestimmen.
Dementsprechend schwerfiel es mir gestern auch mit meinem Fahrrad aufzubrechen, obwohl ich mir eine tolle Runde zusammengestellt hat. Auch das Wetter war nicht gerade einladend, da es neblig, kalt und nass war. Dabei sind es oft gerade diese äußeren Bedingungen, welche dazu beitragen, dass es besonders wird! Je mehr ich meine Komfortzone hinter mir lasse und meinen inneren Schweinehund überwinde, desto intensiver und erfüllender wird das Erlebnis.
Es ist allerdings auch ein schmaler Grat zur “Selbstverletzung”, nicht auf seine innere Stimme zu hören und etwas zu tun, was ich eigentlich gar nicht möchte. Wobei diese Grenze auch sehr Tagesform- und Stimmungsabhängig ist, was sie für mich nicht einfacher macht, da ich auf klare Strukturen und feste Bezugsgrößen stehe.
Dadurch das alle Events gefahren sind und nichts mehr groß ansteht, ist auch die Motivation nicht mehr so vorhanden zum Trainieren. Auf ein Ziel hinzutrainieren finde ich wesentlich einfacher, wie nur für den Spaß durch die Gegend zu cruisen. Wobei es auch mal schön ist, wenn nichts ansteht und ich einfach in den Tag hineinfahre!
Und gestern, ich muss es ganz klar sagen, war die Tour pure Quälerei, zumindest was das Körperliche betraf. Landschaftlich und vom Naturerlebnis war sie grandios. So schlechte Beine wie gestern hatte ich das ganze Jahr noch nicht. Vor allem die letzten beiden Anstiege, stand ich kurz davor, mein Fahrrad einfach zu schieben. Im Gegensatz zu früher habe ich mich dafür aber nicht fertig gemacht oder abgewertet. Versucht noch härter zu meinem Körper zu sein, damit er die von mir befohlene Leistung erbringt.
Ehrlich gesagt musste ich zwischendurch oft grinsen und auch mal lachen, wie ich mich so den Berg hochquäle und was ich dabei für eine schlechte Figur abgebe. Wie ich jede Möglichkeit für ein Foto genutzt habe, um eine Pause einzulegen.
Selbsterkenntnis und schonungslose Ehrlichkeit gegenüber sich selbst kann sehr erfrischend sein und viele Erkenntnisse liefern.
Endlich wieder am Bus angekommen, habe ich mir erst einmal zwei Milchkaffees und zwei Stücke Puddingstreusel gegönnt. Dies wäre früher, nach einer solch schlechten Leistung, undenkbar für mich gewesen. Da hätte ich mich wohl eher bestraft.
Heute ist es aber genau das Richtige, wobei es weniger um Wunden lecken und trösten ging, sondern viel mehr um Belohnung. Belohnung dafür, wo ich mittlerweile stehe, dass ich trotz Fehler gut mit mir umgehe, ich mich entwickelt und viel verstanden habe. Dass nicht nur Leistung meine Person ausmacht, was ich darstelle oder vorgebe zu sein. Sondern dass es oft ganz schön gut und in Ordnung ist, so wie ich bin!