Vor allem kommt im Februar die Lust aufs Fahrradfahren wieder zurück bei mir. Auf Bikepackingtouren, ganz viel draußen und unterwegs sein. Neue Abenteuer erleben und mit dem Fahrrad mir bisher unbekannte Gegenden erkunden. Vor allem neue und inspirierende Menschen kennenzulernen, rund um das Thema Fahrrad und Bikepacking. Alte Bekannte und gute Freunde treffen, um mit diesen eine gute Zeit zu verbringen.
Fahrrad bin ich eigentlich den ganzen Winter gefahren, wobei ich mich an keinen Winter erinnern kann, wo ich so wenig mit Fahrrad draußen unterwegs war, wie in diesem. Selbst mit dem Traktor (29er) hat es in diesem Winter keinen Spaß gemacht draußen zu fahren. War doch das Wetter die meiste Zeit mehr wie bescheiden und gefühlt hat es an einem Stück geregnet!
Dafür gab es fast keinen Tag an dem ich nicht ein oder zwei Stunden auf der Rolle gesessen und mich bei Zwift herumgetrieben habe. Aber das mit dem online und drinnen fahren, reicht jetzt auch, wobei ich ehrlich sagen muss, dass ich Rolle fahren super finde. “Krank”, werden jetzt viele denken aber für mich hat dieses monotone Treten und die tägliche Regelmäßigkeit, mit der ich das Fahren auf der Rolle betreibe, ganz viel mit Struktur und Ritualen zu tun. Es strukturiert meinen Tag, hilft mir sehr mit dem Essen stabil zu bleiben und ein halbwegs gutes Körpergefühl zu haben. Sicherlich ist auch viel Zwanghaftes dabei und mal einen Tag nicht fahren, lässt schon Panik in mir aufkommen und mein schlechtes Gewissen meldet sich. Dies muss ich leider auch zugeben aber ich versuche die Grenze im Auge zu behalten und gut auf mich aufzupassen.
Gerade das, mit dem gut auf mich aufpassen, war die letzten Wochen nicht besonders einfach, das habe ich schon in meinem letzten Blogbeitrag erwähnt. Ehrlich gesagt gab es einige Rückfälle in alte Muster und Verhaltensweisen, um es nett zu umschreiben. Vor allem durften auf keinem Fall, noch mehr Kilos runter. Denn ab einer bestimmten Kilozahl kommt bei mir die Bulimie und das wäre der völlige Anfang vom Ende gewesen. Es gibt kaum etwas, das mehr erniedrigt, wie Bulimie und einen Fressanfall zu haben. Völlig die Kontrolle über sich und sein Essverhalten zu verlieren, kilo- und literweise Lebensmittel in sich reinzustopfen, anschließend wieder alles auszukotzen, um es ungeschehen zu machen und bloß nicht zuzunehmen. Sich selber mehr zu erniedrigen geht in meinen Augen kaum, da ist sogar Betteln und Prostitution besser, da bekommt man wenigstens Geld.
Aber Lebensmittel, die wie der Name eigentlich sagt, Mittel zum Leben darstellen, für seine Sucht zu missbrauchen, ist eine ganz harte Nummer. Diese Erfahrung und die damit verbunden Gefühle, wünsche ich niemanden. Bulimie, wie jede andere Form einer Essstörung oder Sucht, ist mit soviel Lügen, Betrügen, Scham und Heimlichkeiten verbunden, was ab einem gewissen Punkt fast unerträglich wird für den Betroffenen! Man empfindet sich als dermaßen pervers und abnormal, wenn der Rausch und die Befriedung des FA’s vorbei ist. Was folgt ist die völlige Abwertung, der Wunsch sich zu bestrafen, weil man es wieder nicht geschafft hat, sich zusammenzureißen und die Kontrolle zu behalten. In meinem Fall folgte dann oft die Selbstverletzung und ich schnitt mir meine Arme auf!
Ab Februar geht es, passend zum inneren Frühling, auch immer mit meinem Essverhalten nach oben, das Getingel darüber in meinem Kopf wird weniger und auch schwierige Lebensmittel sind wieder einfacher in meinen Speiseplan einzubauen. In diesem Jahr habe ein bisschen auf meinen alten Essensplan aus einem meiner Klinikaufenthalte zurückgegriffen, damit ich wieder mehr Struktur bekomme, was die Essenszeiten, Menge und mögliche Lebensmittel angeht.
Auch zum gefühlten hundertsten Mal habe ich die ganze Problematik mit meinem Therapeuten durchgekaut. Wobei das mittlerweile schnell geht, er weiß genau welche Fragen er mir stellen muss, auf was hinweisen und mir wieder in Erinnerung rufen. Eigentlich weiß ich das alles selber sehr genau und mit dem Thema Essen kenne ich mich sogar noch besser aus, wie mein Therapeut. Er ist schließlich kein Ökotrophologe und auch nicht auf Essstörungen spezialisiert. Wahrscheinlich komme ich deshalb so gut mit ihm klar, weil er lieber nach den Gründen und Mechanismen schaut und nicht nur nach Gewicht, Essensplan und der Zunahmekurve. Auf diesen Dingen wird in Kliniken viel zu viel herum gerieten und der Schwerpunkt gelegt.
Im Grunde genommen ist jede Sucht ziemlich gleich gestrickt und was das Thema Essen angeht, kann mir mein Therapeut nicht mehr viel beibringen, da bin ich wie es so schön heißt, austherapiert. Aber mir die Mechanismen und Hintergründe immer wieder vor Augen führen, bis ich es irgendwann mal endgültig kapiert habe, diese Aufgabe übernimmt er immer wieder (gerne).